Männer- und Frauenkarrieren im Visier

Professor Dr. Sonja Bischoff hat sich nie für eine Frauenquote eingesetzt. Im Gegenteil, sie lehnt sie auch heute noch kategorisch ab. Aber mit ihren Studien über „Männer und Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft“ hat sie über die Grenzen hinaus große Beachtung und viel Anerkennung erfahren. Wenn sie jetzt in den Ruhestand geht, dann liegen 35 Jahre Hochschullaufbahn und davon 25 als Lehrstuhlinhaberin an der Universität Hamburg hinter ihr.

Nach dem Abitur übernahm Sonja Bischoff, Jahrgang 1947, zunächst das familiäre Omnibusunternehmen als Alleingeschäftsführerin. Der lukrative Markt für Busreisen existierte damals noch nicht. Deswegen gab sie nach einem Jahr die Lizenz zurück, worüber sie sich noch heute ärgert. Aber damals war die positive Marktentwicklung nicht voraussehbar und daher das Studium wichtiger. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre an der Uni Hamburg und promovierte am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsprüfung und Steuerwesen.

 “Unser Chef würde durchdrehen“

Die Ex-Unternehmerin plante nach der Promotion ursprünglich eine Karriere in der Privatwirtschaft. Sie brachte gute Voraussetzungen mit: Praxiserfahrung – Handelsbetriebslehre, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Revisions- und Treuhandwesen als Studien-Schwerpunkte – „Planung für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften“ als Promotions-Thema. Sie bewarb sich für zahlreiche Führungspositionen – und erhielt ausschließlich Absagen. Das war 1974. Heute würde sie wahrscheinlich jedes Unternehmen mit Kusshand nehmen. Einer der damaligen Personalmanager, bei denen sich die Hamburgerin vorgestellt hatte, war ehrlich und verriet ihr: „Ich würde Sie ja gerne nehmen. Sie haben genau die richtige Qualifikation. Aber eine Frau als Führungskraft – da würde unser Chef durchdrehen.“ Also entschied sie sich für eine Hochschullaufbahn. „An Universitäten gab es bereits in den 70er Jahren erste Karrieremöglichkeiten für Frauen“,  erinnert sich die Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftlehre. Das Thema Frauen und Karriere hat sie seitdem nicht mehr losgelassen.

 1986 führte Sonja Bischoff zum ersten Mal in Deutschland eine vergleichende Studie über Männer und Frauen in Führungspositionen im Mittelmanagement durch. „Das seinerzeit überraschendste Ergebnis war der deutliche Einkommensnachteil der Frauen in vergleichbaren Positionen“, so die Professorin. Signifikant war außerdem, dass als Karrierehindernis von den Frauen weitaus häufiger Vorurteile gegenüber ihrem Geschlecht genannt wurden als die damals schon öffentlich diskutierte Unvereinbarkeit von Beruf und Familie. Offensichtlich ein Dauerthema, denn Work-Life-Balance sorgt gerade wieder mit politischem Nachdruck für Diskussionsstoff in Verbindung mit der Frauenquote.

 Fokus auf Mittelmanagement

1991, 1998, 2003 und 2010 folgten weitere Vergleichs-Studien zum Thema Männer und Frauen in Führungspositionen. Die ersten beiden konnten mit finanzieller Unterstützung des Wirtschaftsmagazins Capital realisiert werden. Die Fortsetzung ermöglichte die Deutsche Gesellschaft  für Personalführung (DGFP). Trends sowie veränderte  Rahmenbedingungen und Akteure flossen jeweils mit ein in die Beurteilung von Arbeitssituation, Karriereverlauf, familiärem Umfeld und Einstellungen. Der besondere Verdienst von Sonja Bischoff ist, dass im Fokus ihrer Studien das mittlere Management steht und nicht die Aufsichtsräte und Vorstände. In der teils hitzig und oberflächlich geführten Debatte, die aktuell wieder um die Quote ausgebrochen ist, geht leider zu unrecht verloren, dass die meisten Frauen mit Aufstiegsorientierung in Linienpositionen zu finden sind und das eigentliche Reservoir für den Aufstieg in Toppositionen darstellen.

 Career-Women.org: Frau Bischoff, gibt es eigentlich genügend qualifizierte Frauen, um die gehandelten Quoten in Aufsichtsräten zu erfüllen?

Sonja Bischoff: Das hängt davon ab, welche Voraussetzungen an das Mandat geknüpft sind. Wenn nicht nur Unabhängigkeit sondern Vorstandserfahrung gefragt ist, wird es eng. Ich war neun Jahre im Aufsichtsrat des Landesbetriebs Krankenhäuser Hamburg und habe beispielsweise die Erfahrung gemacht, dass mir Insiderwissen fehlt. Um seiner Kontrollfunktion gerecht zu werden, sollte man aber zumindest einen Konzernabschluss prüfen können. Schon weil die Anforderungen und Haftungsrisiken in den letzten Jahren größer geworden sind.

 Career-Women.org: Ursula von der Leyen fordert 30 Prozent Frauenanteil in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen bis 2013. Gibt es bis dahin überhaupt genügend neu zu besetzende Aufsichtsratposten bzw. lässt sich die Zahl rechnerisch ermitteln?

Sonja Bischoff: Das lässt sich nicht kalkulieren. Es kommt darauf an, wie viele Mandate verlängert werden, darauf, wie sich die Unternehmensgröße entwickelt bzw. auch, wie viele Unternehmen in die Europäische Rechtsform SE gehen.

 Career-Women.org: Catalyst, McKinsey, etc. berufen sich auf Studien, nach denen Unternehmen mit Mixed Leadership in den Top-Etagen höhere Eigenkapitalrenditen bzw. Gewinne erzielen. Das müsste doch geradezu einen Run auf gut ausgebildete Frauen auslösen?

Sonja Bischoff: Diese Studien muss man mit Vorbehalt sehen. Einen Erfolg monokausal, d.h. auf einen Faktor zurückführen zu wollen, dagegen sprechen wissenschaftliche Erkenntnisse.

 Career-Women.org: Weshalb sind Sie so entschieden gegen die Frauenquote?

Sonja Bischoff: Es ist ein Unterschied, ob wir von einem Maschinenbau- oder einem Einzelhandels-Unternehmen reden. Bei den technischen Berufen scheitert die Quote schon an den Hochschul-Absolventenzahlen. Im besonders nachgefragten Fach Informatik betrug 2007 der Frauenanteil 16 Prozent, im Maschinenbau 19 und in der Elektrotechnik nur 9.  Die Quote in Norwegen ist auch nicht so erfolgreich, wie viele behaupten. Wie in der Wirtschaftswoche zu lesen war, verabschiedeten sich ein Drittel der Unternehmen von der Börse, um der Quotenpflicht zu entkommen. Außerdem sitzen an den Schalthebeln der Macht nach wie vor nur wenige Frauen.

Career-Women.org: Die Telekom hat sich freiwillig eine Frauenquote von 30 Prozent, die dem Anteil der weiblichen Belegschaft entspricht,  auferlegt. Könnte der Frauenanteil ein Maßstab für die gesetzliche Quote sein?

Sonja Bischoff: Das ist unrealistisch. Wenn Sie beispielsweise ein Unternehmen mit 80 Prozent Frauenanteil nehmen, dann ist nicht sicher gestellt, dass es auch so viele Frauen mit Führungspotenzial beschäftigt.

 Career-Women.org: Aber die Unternehmen könnten die Frauen entsprechend qualifizieren?

Sonja Bischoff: Voraussetzung ist, dass man Frauen mit einschlägigem Studium hat. Die Karriere mit Lehrlingsausbildung gibt es fast nicht mehr. Die Zahl der Akademiker unter den Führungskräften hat in der Vergangenheit deutlich zugenommen.

Career-Women.org: Letzte Frage. Unvorstellbar ist, dass Sonja Bischoffim Ruhestand die Arme in den Schoß legt. Was ist geplant?

Sonja Bischoff: Betriebswirtschaftslehre ist nicht alles. Es gibt noch viele neue Dinge, die man im Leben tun kann.