Karriere, Familie und Ehrenamt im Einklang

Gabriele Hantschel zählt zu den sechs Prozent der Ingenieurinnen, die heute in Führungspositionen in der Wirtschaft tätig sind. Zusätzlich ist sie Mutter von drei kleinen Kindern, Vorstandsvorsitzende der Helga Stödter Stiftung, Beirätin von WoMenPower der Messe Hannover, etc. und last but not least viel gefragte Referentin, wenn es um das Thema Mixed Leadership geht. Interview von Karin Bäck

Gabriele Hantschel, 50, studierte an der TU Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen. Stationen ihrer beruflichen Karriere waren u.a. Fraunhofer, KPMG, Novell und Microsoft, wo sie eine der beiden Consultingsparten mit 120 Mitarbeitern führte. Inzwischen ist sie als Service Managerin bei der Softwaregroup der IBM Deutschland in Köln tätig. Karriere, Familie und ihre diversen ehrenamtlichen Tätigkeiten bekommt sie geschultert, weil ihr Ehemann ihr den Rücken frei hält.

Career-Women.org: Sie sind erfolgreiche Managerin mit Fulltimejob, liebevolle Ehefrau und Mutter von drei kleinen Kindern. Und, als wäre das nicht schon genug, seit vielen Jahren ehrenamtlich tätig, um Frauen für Führungspositionen zu stärken. Was war der Auslöser für dieses Engagement?

Gabriele Hantschel: Als ich meinen ersten Job bei KPMG 1989 in Frankfurt antritt, fand ich einen Artikel in der BRIGITTE zu „Frauennetzwerken“. Die angegebenen Adressen habe ich alle angeschrieben, da ich mir erhoffte, bei meinen zahlreichen europäischen Beratungsprojekten mit Netzwerken vor Ort in Kontakt zu kommen. Den besten und professionellsten Eindruck hinterließ EWMD (European Women´s Developemnt Network. Selbst in Frankfurt war das Netzwerk international vertreten. Als EWMD-Mitglied gelang mir der internationale Austausch vortrefflich. Meine Motivation war also erstmal nicht das Frauenthema, sondern Internationalität und Netzwerken. Erst fünf Jahre später, nachdem ich durch mein EWMD-Engagement die Rolle der Frau in den verschiedenen Ländern vergleichen konnte, machte ich mich für das Thema Frauenförderung bzw. Mixed Leadership stark.

Career-Women.org: In einem Fernsehinterview sprechen Sie von Familien- und Managementkompetenz. Was meinen Sie damit?

Gabriele Hantschel: Für Unternehmen lohnt es sich, Mütter in Führungspositionen zu beschäftigen. Die Familie sitzt ihnen nicht – wie häufig gesagt – im Nacken, sondern sie stärkt ihnen in der Regel den Rücken. Familie erweist sich für uns Mütter als Bereicherung und manchmal werden die Kinder sogar zum Karrierekick – wenn die Verantwortung für die Familie die berufliche Motivation der Frauen zusätzlich antreibt. Familienbezogene Kompetenzen und Führungskompetenzen greifen ineinander und verstärken sich gegenseitig positiv. Eine Familie erfordert Gelassenheit und Organisationsfähigkeit und das kommt auch dem Beruf zu Gute. Gleichzeitig verschafft die Familie Abstand zum Beruf und verhindert die Gefahr einseitiger Überlastung. Für mich ist das Zeitfenster mit den Kindern pure Entspannung und Abschalten vom Beruf – das beginnt mit dem Aufschließen der Haustür.

Career-Women.org: Wer oder was hat Sie dazu gebracht, einen technischen Beruf zu ergreifen? Würden Sie sich mit der heutigen Erfahrung wieder dafür entscheiden?

Gabriele Hantschel: Mein großes Vorbild war mein Vater. Er hatte ein kleines Unternehmen, in dem er Leiterplatten herstellte und viele neue technische Ideen umsetzte. Meine Geschwister und ich arbeiteten häufiger in seinem Unternehmen, auch um etwas Geld zu verdienen. In der Zeit entstand der Wunsch, einen Beruf mit der Kombination aus Technik und Betriebswirtschaft zu ergreifen. Bereits damals waren die Aussichten auf einen guten Beruf als Wirtschaftsingenieurin hoch. Ich würde mich für diesen Weg wieder entscheiden. Meine Schwester habe ich ebenfalls für dieses Studium begeistern können.

Career-Women.org: Wirtschaftsingenieurinnen bzw. Informatikerinnen in leitender Funktion zählen heute noch zur Minderheit (ihr Anteil an Führungspositionen in erster und zweiter Ebene liegt bei etwa sechs Prozent). Was kann oder muss getan werden, damit sich das ändert?

Gabriele Hantschel: Es fehlen Vorbilder. Die MINT-Studienfächer gelten immer noch als zu männlich, zu schwierig. Der Informatiker gilt als „Eigenbrödler“, der im Keller seine Programme schreibt. Dem ist nicht so. In der Praxis hat man in Projekten mit Kunden zu tun, gute Kommunikation ist angesagt sowie gute Problemlösungsstrategien und kreative Ideen. Der Girls Day als Marketingmassnahme reicht nicht aus. Bereits in Schulen (und natürlich in der Erziehung) müssen die Mädchen für diese technischen Berufe begeistert werden. Mein Arbeitgeber IBM engagiert sich bereits mit verschiedenen Aktivitäten und unterstützt bereits viele junge Frauen beim Dualen Hochschulstudium. Aktive Ansprache auf Absolventenkongressen, Messen und Vorträge an Universitäten sind weitere Bausteine.

Career-Women.org: Was brauchen Sie zur Erholung bzw. zum Auftanken von Energie?

Gabriele Hantschel: Die Familie – Entspannungsprogramm pur!