De-Eskalation im Geschlechterkampf: Mehr Nüchternheit bitte!

In den Unternehmen kommt es neuerdings häufiger zu Wutausbrüchen. Nämlich dann, wenn eine Frau eine Position bekommt, auf die es auch ein männlicher Kollege abgesehen hatte: „Die kriegt den Job doch nur wegen der Quote“, hört man ihn schimpfen.

Oder: „Die ist doch zickig und herrschsüchtig“. Zwar gibt es die gesetzliche Quote bislang nicht, aber viele Firmen bemühen sich, verantwortungsvolle Positionen stärker mit Frauen zu besetzen. Die Männer erleben, dass auch Frauen erfolgreich sind und fürchten um ihr eigenes Fortkommen. Das macht manche aggressiv. Wenn es um ihren Posten geht, wollen sie auf keinen Fall zurückstecken.

So erklären auch zwei Drittel der männlichen Befragten in einer Allensbach-Studie aus dem vergangenen Jahr: Es reicht mit der Gleichberechtigung! Über 40 Prozent geben an, sich schon einmal benachteiligt oder diskriminiert gefühlt zu haben. Das bleibt nicht ohne Folgen: Unternehmensberater berichten davon, dass Frauen von Männern schlecht gemacht werden, wenn sie Erkundigungen über ihre Qualifikationen einholen. Und auch sonst wird von einem Mann, der seine Felle schwimmen sieht, nicht allzu viel Unterstützung zu erwarten sein.

Aber auch zu Hause, in der eigenen Partnerschaft, haben es die Frauen nicht leicht: Ihre Männer freuen sich über das gestiegene Einkommen der Partnerin und wollen nicht mehr auf die Annehmlichkeiten des zweiten Gehalts verzichten – auch nicht zugunsten des eigenen Nachwuchses. Häufig – so belegen Studien – stehen die Frauen daher mit der Entscheidung für Kinder allein und tragen auch allein die Konsequenzen. Nach wie vor sind hauptsächlich sie es, die für die Kinder und den Haushalt zuständig sind.

Fordern die Frauen hingegen die Unterstützung ihrer Männer ein, beklagen die sich postwendend über die Doppelbelastung. So hieß es in einem Newsletter des Handelsblatts kürzlich: „Unsere Korrespondenten analysieren die Sandwichposition des neuen Mannes – eingeklemmt zwischen Kind, Firma und Ehefrau.“ In den Ohren der Frauen, die den Spagat zwischen Beruf und Familie schon lange meistern müssen, klingt das wie der blanke Hohn. Und außerdem: Wer klemmt schon gern seinen Ehemann ein?

Doch Polemik und Eitelkeiten helfen in diesem Fall nicht weiter. Und eine Eskalation im Geschlechterkampf wäre das Schlimmste, was passieren kann. Denn Gleichberechtigung ist nur zu schaffen, wenn beide Seiten die Herausforderung annehmen. Daher gilt es, die Lage möglichst nüchtern zu analysieren, die Hürden, aber auch die Chancen zu erkennen und gemeinsam Lösungsansätze zu erarbeiten.

Die erste Aufgabe dabei: Die eigene Leistung, aber auch die des Partners realistisch einschätzen. Denn schon allein das ist nicht immer einfach. In Kanada haben Psychologen Ehepaare gebeten, zu schätzen, welchen Beitrag sie in ihrer Ehe leisten – von den

Einkäufen über die Planung von Verabredungen bis hin zur Lösung von Konflikten. Bei drei von vier Paaren summierten sich die Schätzungen beider Seiten auf weit mehr als 100 Prozent. Die Psychologen sprechen vom „Verantwortungs-Irrglauben“. Dahinter steckt – wie der Wirtschaftsprofessor Adam Grant erklärt –der Wunsch, die eigene Person möglichst positiv darzustellen. Eine Rolle spiele jedoch auch die Tatsache, dass wir die eigenen Beiträge und Anstrengungen einfach besser vor Augen haben als die Leistungen des Partners. Denn die bekommen wir nur zum Teil mit.

Doch auch die Anforderungen an sich selbst gilt es realistisch zu prüfen. Denn meiner Erfahrung nach entsteht die Überforderung für beide Seiten hauptsächlich, weil Männer wie Frauen neben den neuen weiterhin auch die alten Rollenmuster erfüllen wollen. Das heißt: Die Frau will trotz Karriere eine Supermutter sein und quält sich mit Gewissensbissen, wenn sie nicht jederzeit und in aller Konsequenz für ihr Kind da sein kann. Der Mann will auch weiterhin der Ernährer der Familie sein und sieht sich von den häuslichen Pflichten bedrängt. Er befürchtet Nachteile im Job, wenn er eine längere Elternzeit nimmt oder sein Kind regelmäßig aus der Kita abholt.

Bei den Männern ist hier eine altbekannte Tugend gefordert, nämlich Tapferkeit, erklärt der bereits erwähnte Handelsblatt-Newsletter, der im weiteren Verlauf einen sehr viel konstruktiveren Ton anschlägt. Und tatsächlich müssen Männer, aber auch Frauen tapfer sein, wenn wir eine Wirtschaftswelt gestalten wollen, in der beide Geschlechter gleichberechtigt arbeiten und sich um die Familie kümmern können. So müssen die Frauen oftmals lernen, dass nicht nur sie optimal für ihre Kinder sorgen können, sondern dass das ebenso gut der Vater kann. Und sie müssen sich den Härten einer Führungsposition stellen, die oftmals mit Konkurrenzdruck, kinderunfreundlichen Arbeitszeiten und – machen wir uns nichts vor – auch mit unerfreulichen, ja oftmals sogar sinnlos erscheinenden Aufgaben verbunden ist.

Umso wichtiger ist es, den Blick auf die Chancen zu richten: Für die Männer nimmt der wirtschaftliche Druck ab. Zudem können sie mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, was immer mehr von ihnen zu schätzen lernen. Mütter können sich stärker im Berufsleben einbringen und in Führungspositionen mehr Einfluss auf die Gestaltung einer Arbeitswelt nehmen, die noch immer überwiegend nach männlichen Kriterien funktioniert und großen Nachholbedarf in Sachen Familienfreundlichkeit hat.

Ich selbst habe erlebt, wie gut das Zusammenspiel zwischen Mann und Frau funktionieren kann. Mein Mann hat mich sowohl bei der Erziehung unserer mittlerweile erwachsenen Tochter unterstützt als auch in meinem Beruf bestärkt. Hätte er das nicht getan, wäre meine Karriere sicherlich ganz anders verlaufen. Ich würde nicht an demselben Punkt stehen, hätte nicht annähernd so spannende Coaching-Kunden und würde auch längst nicht so viel Erfüllung in meiner beruflichen Tätigkeit finden. Auch aus dieser Erfahrung heraus möchte ich Paare ermutigen, gemeinsam eine Lösung zu finden statt sich im Geschlechterkampf aufzureiben.

Sigrid Meuselbach Team bringt Frauen in Führung – und hilft Männern, gut damit zu leben. Als die Trainerin, Pädagogin und Wirtschaftsmediatorin vor fast 30 Jahren „Frauenseminare“ und „Gender-Trainings – Brücken bauen zwischen männlicher und weiblicher Kommunikation“ in internationalen Konzernen einführte, war das eine Sensation. Inzwischen ist Sigrid Meuselbach auch als Coachin und Speakerin gefragt. Bis heute brennt sie dafür, Frauen in Unternehmen und Wissenschaft beim Entdecken ihrer Möglichkeiten zu unterstützen – kenntnisreich und psychologisch fundiert, mit Herzblut und Humor. Dafür gründete sie 1992 das Unternehmen „Sigrid Meuselbach Team“. 

Im Frühjahr 2015 erscheint ihr Buch bei Ariston „Die Dornröschen-Falle. Aufgewacht! 40 Strategien, wie Frauen mehr Erfolg im Job haben“.

Die Autorin lebt mit ihrem Mann bei Köln und hat eine Tochter. 

Sie wollen mehr wissen? Emailen oder rufen Sie (0177-8387313) Sigrid Meuselbach an, wenn Sie mehr wissen wollen zum Thema „Karriere-Wege von Frauen – Erfolgsfaktoren und Stolpersteine“ www.meuselbach-seminare.de