„Köln hat uns als Töchter aufgenommen“

Stellvertretend für viele Kölnerinnen mit fremden Wurzeln befand die aus Bulgarien stammende Nelly Kostadinova: „Köln hat uns als Töchter aufgenommen“. Die Chefin der international tätigen Lingua-World GmbH sowie die aus Istanbul stammende deutsche Politikerin Dr. Lale Akgün (Ex-SPD-MdB) und die aus dem Iran geflüchtete Kommunikationsexpertin Emitis Pohl (ep communication GmbH) sprachen sehr offen, unverblümt und informativ über ihren Start in die deutsche Gesellschaft.

Karin Bäck, Initiatorin und Leiterin von PepperMINT, dem Netzwerk zur Personalentwicklung von Mitarbeiterinnen in Industrie- und industrienahen Unternehmen, hatte zum diesjährigen Kick Off  mit dem Thema „Erfolgreich trotz fremder Wurzeln?“ in den BioCampus Cologne eingeladen.

Mittelpunkt des Programms war die Podiums-Diskussion mit den drei sehr erfolgreichen Repräsentantinnen fremder Wurzeln. RA Christian Kerner, geschäftsführender Vorstand des Wirtschaftsclub Köln, moderierte in gewohnt lässiger Art die Veranstaltung. Andre van Hall, Prokurist & Mitglied der Geschäftsleitung BioCampus Cologne, begrüßte die Kick Off – Gäste.

Die Wahl der Podiums-Teilnehmerinnen erwies sich als Glücksgriff, weil sie sehr unterschiedliche Karriere-Verläufe beleuchtete.

„Kopftuch und Karriere gehen gar nicht“

Dr. Lale Akgün wurde Kölnerin, weil ihr Vater, ein Zahnarzt in Istanbul, zu einem Kongress in die Domstadt gekommen war und sich in die Rheinmetropole so verliebt hatte, dass er mit seiner Frau und Tochter Lale umzog. Sie hat in Köln Medizin und Psychologie studiert. Sie ist approbierte Psychotherapeutin. Außerdem erfolgreiche Buchautorin. Ihre Erlebnisse und Meinungen veröffentlichte sie nicht nur in dem heiteren und vom Fernsehen verfilmten Werk „Tante Semra im Leberkäseland“, sondern auch in weiteren Büchern  wie „Aufstand der Kopftuchmädchen – Deutsche Musliminnen wehren sich gegen den Islamismus“. Für die SPD gewann Lale Akgün ihren Wahlkreis im Kölner Süden direkt und gehörte  von 2005 bis 2009 dem Bundestag an. Aktuell ist sie Leiterin der neu geschaffenen Kompetenzstelle für nachhaltige und faire Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen in der Staatskanzlei NRW. Ihr Erfolgsrezept: Geradlinig eigene Meinung vertreten.

„Wir übersetzen nicht nur in Englisch und Afrikaans“

Mit Glück und Chuzpe schmiedete Nelly Kostadinova ihre Karriere. Sie war bereits als Journalistin in ihrer Heimat Bulgarien tätig, doch das kleine Land auf dem Balkan war ihr zu eng. Sie wollte reisen, die Welt sehen und erobern. Als nach dem Zusammenbruch des Kommunismus auch die Bulgaren Pässe beantragen konnten, ergatterte sie einen der ersten 300 begehrten Dokumente. Mit einem kritischen Zeitungsartikel, den ihre Redaktion in Sofia nicht veröffentlichen wollte, ging sie in Köln zur Deutschen Welle. Die strahlte den Beitrag aus, beschäftige die begabte Bulgarin weiter. Nelly Kostadinova gewann ein Stipendium der Konrad Adenauer-Stiftung und baute „Lingua-World“ auf, dessen Mitarbeiter in vielen europäischen Städten Texte übersetzen und dolmetschen.  Aktuell gründete sie ihr zweites Büro in Südafrika (Kapstadt).  Für ihre Computerschule für Kids wurde sie in Johannesburg mit dem „Award for Social Reponsibility“ ausgezeichnet. „In Südafrika werden elf Sprachen gesprochen. Wir übersetzen nicht nur in Englisch und Afrikaans, sondern auch in den sehr unterschiedlichen Idiomen.“ berichtete sie. Ihr Erfolgsrezept: An das Machbare glauben.

„Viele Steine aus dem Weg geräumt“

Als „Klassisches Flüchtlingskind“ kam Emitis Pohl nach Deutschland. Im Alter von14 Jahren kauften ihr ihre Eltern in Teheran ein Flugticket und schickten sie an den Rhein, um sie in Sicherheit vor den fanatischen Khomenie-Revolutionären zu bringen. „Wir waren zwar vorher schon mal in Deutschland gewesen, aber ich lebte als normales Mädchen in Persien, musste den Tschador tragen.“ Emitis sprach kein Wort Deutsch, war völlig allein auf sich gestellt. „Auf meinem Weg lagen viele Steine, die ich nicht nur wegräumen musste. Ich habe sie aufgenommen und mit ihnen etwas Größeres gebaut“ schilderte sie den Zuhörerinnen. Ihr Unternehmen ep communication ist eine erfolgreiche Werbe-Agentur, die u.a. den Cologne Business Day zum 5. Mal in der IHK organisiert hat. Ihr  Buch „Deutschsein für Anfänger – Integration ist meine Pflicht“ hat in der Presse große Aufmerksamkeit erhalten. Ihr Erfolgsrezept: Ziele auch gegen Widerstände verfolgen.

Ulrich Gross