Mit Power an die WDR-Spitze

Sie ist auf Erfolg programmiert. Jede neue Position bringt sie auf der Karriereleiter ein Stückchen weiter nach oben. Ab 1996 geht es sogar steil bergauf. Erst Programmchefin von WDR 2, dann Chefredakteurin des WDR-Hörfunks, als nächstes Hörfunkdirektorin und seit April 2007 Intendantin des WDR. In den Printmedien wird sie als kühl, nüchtern und trotzdem zugänglich bezeichnet. business-on.de interviewte Monika Piel zum Start der Serie “Die Powerfrauen von Köln-Bonn”.

Nach so starken Persönlichkeiten wie Klaus von Bismarck, Friedrich-Wilhelm von Sell, Friedrich Nowottny und Fritz Pleitgen wurde erstmals eine Frau zur Intendantin des WDR gekürt. Die überregionale Presse reagiert verhalten. Nicht, weil sie eine Frau ist. Sondern, weil sie erst einmal beweisen soll, dass sie eine Antenne für TV hat. Daran wird sich Monika Piel wohl noch eine Zeit lang messen lassen müssen. Die Karriere-Frau hat sich ihre Sporen beim Hörfunk des WDR verdient. Sie profilierte sich u.a. als Radio-Moderatorin von „Morgenmagazin“, „Mittagsmagazin“, „Zwischen Rhein und Weser“, „Berichte von Heute“ und „Funkhaus Wallrafplatz“. Im Fernsehen trat sie dagegen „lediglich“ als Gastgeberin des ARD-Presseclubs auf – aber immerhin sehr souverän und telegen. Neuerdings moderiert sie auf Phoenix, dem Dokumentationskanal von ARD und ZDF, den reanimierten „Internationalen Frühschoppen“. Monika Piel studierte Betriebswirtschaft, Jura und Orientalistik in Köln, u.a. an der Uni Köln. Sie ist mit WDR-2-Hörfunkmoderator Roger Handt verheiratet.

business-on.de: Vor genau 30 Jahren starteten Sie Ihre berufliche Laufbahn beim WDR als Assistentin von Werner Höfer – für viele unvergesslich als Urgestein des „Internationalen Frühschoppens“. War Ihnen schon damals klar, dass Sie Karriere beim WDR machen werden?

Monika Piel: Nein. Ich wusste zwar schon sehr früh, dass ich Journalistin werden wollte, habe aber nie eine Karriere angestrebt oder gezielt geplant. Als junge Reporterin hat mir meine Aufgabe beim WDR einfach Spaß gemacht. Für mich war wichtig, welche Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten ein neuer Job bereit hält, nicht, ob er mich auf der Karriereleiter weiter bringt. Als mir eine Führungsaufgabe angeboten wurde, war ich im Studio Bonn Korrespondentin für Wirtschaft und Finanzen und eigentlich rundum glücklich. Dass ich nach zwei Absagen schließlich doch zugesagt habe, hatte auch damit zu tun, dass ich den Mangel von Frauen in Führungspositionen immer beklagt hatte – und ich mich nun auch in der Pflicht sah.

business-on.de: Heute gelten Sie neben Angela Merkel als die mächtigste Frau in Deutschland. Mit einem Jahresetat von 1,3 Milliarden Euro und 4.200 Beschäftigten regieren sie nach der BBC über die zweitgrößte Rundfunkanstalt Europas. Was bedeutet Ihnen Macht?

Durchsetzungsmacht, um Dinge zu bewegen

Monika Piel: Macht als Selbstzweck, als Egotrip, bedeutet mir nichts. Mich interessiert, Dinge zu bewegen, gestalten zu können und dazu braucht man die Durchsetzungsmacht. Das finde ich reizvoll.

business-on.de: Was muss „Frau“ aus Ihrer Erfahrung mitbringen, um an die Spitze des WDR gewählt zu werden?

Monika Piel: Sie muss ihr Handwerk beherrschen, eine fundierte journalistische Ausbildung und große Führungserfahrung haben. Ich rate Journalistinnen zudem, sich nicht nur auf die „klassischen“ Frauenthemen wie Familie oder Bildung zu konzentrieren, sondern sich auch einmal so spannenden Bereichen wie der Außen- und Sicherheitspolitik zuzuwenden. Sie sollte sich vor allem selbst treu bleiben, auch wenn sich das vielleicht etwas banal anhört.

business-on.de: ….welche Fehler darf sich die Karriere bewusste Frau nicht leisten?

Männer sind oft hemdsärmeliger

Monika Piel: Sie sollte sich auf keinen Fall durch Niederlagen von ihrem Weg abbringen lassen. Frauen neigen viel eher als Männer dazu, Fehlern nachzuhängen und dabei das Ziel aus den Augen zu verlieren. Männer sind da oft hemdsärmeliger, nach dem Motto „Augen zu und durch“.

business-on.de: Gibt es für Sie noch so etwas wie Privat- oder Familienleben? Anders gefragt: Was ist Ihnen wichtig, um Kraft zu tanken?

Monika Piel: Natürlich ist mein Privatleben deutlich eingeschränkt, aber die wenige Freizeit, die ich habe, nutze ich intensiv. Ich wohne in der Eifel. Spaziergänge mit meiner Familie und unseren zwei Hunden sind für mich das beste Mittel, um wieder aufzutanken. Außerdem hält mich Gartenarbeit in Schwung, dadurch bekomme ich den Kopf frei.

business-on.de: Auf dem Bildschirm sind Sie abgesehen von der Moderation des ARD-Presseclubs nicht präsent. Ihre Karriere beim WDR war bis dato ausschließlich auf den Hörfunk konzentriert. Müssen Sie jetzt als Intendantin für Radio und TV umdenken?

Monika Piel: Dass ich bis zum Antritt meiner jetzigen Position ausschließlich Hörfunk gemacht habe, bedeutet nicht, dass das Fernsehen oder auch das Internet unbekannte Größen waren. Als Hörfunkdirektorin war ich fast zehn Jahre Mitglied der Geschäftsleitung und hatte dadurch bereits alle Bereiche des Senders im Blick. Dass ich diese Dinge nun aktiv gestalten kann, finde ich spannend.

business-on.de: Es fällt auf, dass in „frauTV“ erfolgreiche Frauen, Unternehmerinnen oder Managerinnen so gut wie keinen Platz haben. Wollen Sie daran etwas ändern?

Das Format „frauTV“ erreicht viele Männer

Monika Piel: Der Eindruck täuscht. Die Sendung frauTV beschäftigt sich immer wieder mit erfolgreichen Frauen. Erfolgreiche Frauen, das können Topmanagerinnen in der Wirtschaft sein, aber auch Frauen, die mit einem 400 Euro Job gegen die Arbeitslosigkeit kämpfen. frauTV versucht, die ganze Bandbreite darzustellen, erzählt Geschichten von Heldinnen, die ihr Leben erfolgreich meistern. Dazu gehören unter anderem Beiträge über das Phänomen ungleicher Löhne, die Karrierefalle befristeter Arbeitsverträge und natürlich der berühmte Spagat zwischen Familie und Beruf. Damit gewinnt die Sendung übrigens auch überraschend viele Männer.

business-on.de: Das Wochenmagazin „Westpol“ berichtet überwiegend unkommentiert über die politische Szene in NRW. Könnten Sie sich vorstellen, dass dieses Format mit mehr Hintergrundinformationen angereichert werden könnte?

Monika Piel: Westpol verzichtet in der Tat auf einen klassischen Kommentar, versteht sich allerdings auch nicht als Nachrichtensendung im engeren Sinne. Westpol ist ein landespolitisches Magazin, das in erster Linie danach fragt, was politische Entscheidungen für die jeweils Betroffenen bedeuten. Dazu gehen die Reporter vor Ort: in die Betriebe, in die Schulen, zu Familien, zu Stau-geplagten Autofahrern oder sozial Benachteiligten. Gerade durch diese Nähe zum Alltag der Menschen werden die notwendigen Hintergrundinformationen zu den Entscheidungen der Politiker geliefert. Und zugleich wird in den Beiträgen eine klare Haltung erkennbar. Darauf legt die Redaktion besonderen Wert.

business-on.de: In den aktuellen Programmleitlinien des WDR heißt es, dass mit „neuen Erzählstilen in Bild und Ton sowie der Einbeziehung innovativer Elemente und Formate“ das Programm für das jüngere Publikum attraktiver gestaltet werden soll. Was muss man sich darunter vorstellen? Gibt es schon Ansätze?

Factual Entertainment

Monika Piel: Wer jüngere Zuschauer erreichen will, und für das WDR Fernsehen bedeutet das im Regelprogramm vorrangig die Altersgruppe der 30-50jährigen, der muss wissen, welche vorrangige Rolle fiktionales Fernsehen in dieser Gruppe spielt – in der konkreten Nutzung, aber auch bei der Herausbildung von Sehgewohnheiten. Das bedeutet etwa, dass wir stärker auf Personality, auf wieder erkennbare Gesichter setzen müssen – auch im nicht-fiktionalen Bereich. Das gilt sowohl für eine stärkere Gewichtung des Castings von Protagonisten im Vorfeld einer Produktion als auch zum Beispiel für die Kameraführung und den Einsatz von Originaltönen oder Musik in der Produktion selbst. Grundsätzlich haben wir den Eindruck gewonnen, dass auch das starre Festhalten an Genre-Grenzen kontraproduktiv ist, wenn man diese Zuschauergruppen erreichen will. In der Programmentwicklung legen wir daher besonderes Augenmerk auf so genannte Hybrid-Formen wie etwa „factual entertainment“: Dabei handelt es sich um Sendungen mit leicht verständlich aufbereiteten Wissens – Magazine, Diskussionen, Lifestyle-Magazine oder Reportagen.

business-on.de: Ärger mit WebTV, ein Angebot des WDR zur zeitsouveränen Nutzung von ausgewählten Sendungen im Internet, gibt es nicht nur seitens der Printmedien, sondern auch aus Brüssel. Wie sehen Sie die zukünftigen Chancen für WebTV?

Monika Piel: Die Frage war nie, ob Fernsehen im Netz kommen würde, sondern wann es kommen würde. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss an den neuen technischen Möglichkeiten teilhaben, um seinen Programmauftrag zu erfüllen. Gewährleistet wird dies durch die im Rundfunkstaatsvertrag verankerte Entwicklungsgarantie, die sowohl für die Programminhalte als auch für die Verbreitungswege gilt. Diese Garantie wurde nun vom Bundesverfassungsgericht noch einmal ausdrücklich betont. Alles andere würde uns in eine Nische abschieben.

WebTV erreicht jüngere Zuschauer

Schließlich: Ein Inhalt wird nicht dadurch ein anderer, dass er auf einem anderen Vertriebsweg angeboten wird. Wieso sollte der WDR seinen Gebührenzahlern ihr schon gesendetes Radio- und Fernsehprogramm im Internet nicht noch einmal zur Verfügung stellen können, zumal diese Programminhalte schon alle einmal bezahlt wurden? Mit dem Internet erreichen wir insbesondere die jüngeren Zuschauer, die uns sonst langfristig verloren gehen würden.

business-on.de: Die Elektronikindustrie wirft den öffentlich-rechtlichen Anstalten vor, sie würden nicht Schritt halten mit neuen Techniken. Die Kritik richtet sich gegen die Planung, erst 2010 mit hoch auflösenden Fernsehangeboten, d.h. in HD-Qualität, zu starten. Ist die Kritik aus Ihrer Sicht berechtigt?

Monika Piel: Nein, denn tatsächlich unternimmt die ARD große Anstrengungen mit Blick auf die flächendeckende Einführung von HDTV. Anlässlich der IFA im September haben wir einen HD-Showcase mit ausgewählten Highlights im Programm von EinsFestival angeboten, der sowohl beim Publikum als auch bei Marktpartnern auf großes Interesse gestoßen ist. Zwar werden bereits jetzt einige unserer Produktionen in HD-Qualität hergestellt, für den grundsätzlichen Einstieg in HDTV muss aber die gesamte Produktion umgestellt werden. Dies ist mit erheblichen Kosten verbunden. Die ARD wird ab den Olympischen Winterspielen 2010 in die HD-Ausstrahlung einsteigen. Dafür werden wir nun einen verlässlichen Fahrplan erarbeiten.

business-on.de: Wie wird sich Ihre Führungsrolle als Intendantin auf die Programmgestaltung im WDR auswirken? Mit welchen Formaten wollen Sie persönliche Akzente setzen?

Monika Piel: Die digitale Entwicklung steht sicherlich ganz weit oben auf der Agenda. Hier gilt es, die vorhandenen Chancen zu nutzen und sicherzustellen, dass unsere Programme unser Publikum auf allen relevanten Verbreitungswegen erreichen. Dabei ist es mir wichtig, unser öffentlich-rechtliches Profil weiter zu schärfen. Dazu gehören große fiktionale Projekte wie die Verfilmung der Buddenbrooks ebenso wie unsere regionalen und landesweiten Informations- und Kultursendungen und unsere Angebote im Hörfunk. Auch in der Unterhaltung wollen wir künftig neue Impulse setzen.