Frauen-Förderung Ja – Quote Nein

Dr. Angelika Dammann ist attraktiv, charmant, überzeugend, resolut und eine Vorzeigefrau par excellence. Sie zählt zu der raren Spezies von Frauen mit Vorstandsposten in einem Dax-30-Konzern. Als Chief Human Resources Officer ist die 51-Jährige für 53.000 SAP-Mitarbeiter aus rund 80 Nationen zuständig. Sie unterstützt die Forderung nach mehr Frauen in Führungspositionen. Aber feste Regularien wie die Frauenquote lehnt sie für SAP ab. Interview mit career-women.org

Angelika Dammann studierte Jura und promovierte an der Universität Hamburg in Verbindung mit dem Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht. Sie arbeitete zunächst als Rechtsanwältin in Großbritannien und Deutschland. Anfang der 90er wechselte die Juristin in die Wirtschaft. Die erste Station war Royal Dutch Shell, wo sie in leitenden Funktionen als HR Policy Advisor, Global Communications Director und Vice President für die IT-Infrastruktur-Organisation tätig war. In den Jahren wurde ihr bewußt, dass die Aufgabe des Personalmanagers sich weg vom Verwalter und hin zum Strategen entwickeln muss. Veränderungsprozesse – das sind Aufgaben, die ihrem Tatendrang entsprechen. 2007 übernimmt Dammann bei der Unilever Deutschland GmbH die Funktion als Vice President Human Resources. Seit 1. Juli 2010 zeichnet sie als Vorstandsmitglied der SAP AG, einem der weltweit größten Softwareproduzenten, verantwortlich für die Personalstrategie.

 Career-Women.org: Frau Dammann, was hat sich aus Ihrer Erfahrung im Personalwesen in den letzten Jahren signifikant verändert?

 Angelika Dammann: In einer globalisierten Welt haben sich auch die Anforderungen an das Personalmanagement drastisch gewandelt. Unternehmen müssen agil sein, in der Lage sein, sich schnell auf veränderte Marktbedingungen hin auszurichten und brauchen die besten Frührungskräfte sowie eine nachhaltige Talent Pipeline. Erfolge werden nicht mehr im Jahresrythmus gefeiert sondern jedes Quartal. Wir müssen uns immer schneller  auf neue Technologien einstellen. SAP beispielsweise ist ein global aufgestellter Konzern, dass heißt wir handeln global und zugleich lokal. Das alles gilt es in der Mitarbeiterstrategie zu berücksichtigen.  Ebenso ist der Wettbewerb um Talente ein globaler geworden. SAP beschäftigt überwiegend  Akademiker, die man heute mit anderen Leistungselementen begeistern muss als noch vor einigen Jahren. Neben Karrierechancen und monetären Anreizen gehört immer mehr ein flexibles und inspirierendes Arbeitsklima zu den Hauptkriterien. Hier sehen wir die Führungskräfte als den  Schlüssel zum Erfolg wenn es darum geht, die besten Mitarbeiter zu halten.

 Career-Women.org: Was haben Mineralöl, Nahrung & Genuss und IT im Personalwesen gemeinsam bzw. worin unterscheiden sich die drei Branchen?

Angelika Dammann: HR sollte in jede Organization strategisch und operativ  dazu beitragen, ein Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen und es für die Zukunft zu „rüsten“. Das ist unabhängig von der Branche, in der ein Unternehmen tätig ist. Wir alle  müssen heute agil sein und die besten Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Mitarbeiter auf allen Ebenen sich wohlfühlen und erfolgreich sein können.  Nur dann können wir auch als Unternehmen erfolgreich sein.

Wenn man in verschiedenen Branchen tätig war, hat man gelernt sich schnell an Veränderungen anzupassen und sich auf unterschiedliche Notwendigkeiten einzustellen. Jede Branche und jeder Bereich birgt eine eigene Dynamik und folgt anderen Prinzipien. Ich bringe diese Erfahrungen ein, Erfahrungen, die essenziell sind in einer leitenden Funktion.

 Career-Women.org: Es heißt häufig, dass den Frauen, die Karriere machen wollen, die richtigen Netzwerke fehlen. Hatten oder haben Sie Netzwerke, die Ihnen den Weg nach oben geebnet haben?

Angelika Dammann: Ich habe im Lauf meiner Karriere ein sehr persönliches Netzwerk aufgebaut, weil ich schon früh meine Erfahrungen mit anderen geteilt habe. Seit meiner ersten Führungsposition unterstütze ich junge Frauen und auch Männer, die im Beruf erfolgreich sein wollen. Seit vielen Jahren bin ich aktiv als Mentor und ich bin auch ausgebildet als Coach.

Es ist wichtig, dass alle Führungskräfte dafür sorgen, dass sie nachhaltig Talente rekrutieren und entwickeln –egal ob Frauen oder Männer – und dieses als integralen Bestandteil ihrer Führungsverantwortung vorleben.

 Career-Women.org: Wer oder was hat Sie auf der Karriereleiter am besten unterstützt?

„Komfortzone“ verlassen

Angelika Dammann: Meine Neugier, Offenheit für Veränderungen und Freude an der Aufgabe.  Ich habe meine Karriere immer als besondere Chance gesehen Neues zu lernen und zwar in jeder Bezieung. Dafür hat es Mut gebraucht, die „Komfortzone“ immer wieder zu verlassen und die nächste Herauforderung anzunehmen. Selbstverständlich habe ich aber auch gute Unterstützung zu Hause und von meinem jeweiligen Vorgesetzten erfahren.

 Career-Women.org: Wie hoch ist der Anteil an Führungsfrauen bei SAP?

Angelika Dammann: Bei  SAP arbeiten rund 30 Prozent Frauen, ca. 18 Prozent im Management. SAP liegt damit über dem Durchschnitt der Hochschulabsolventinnen aus den MINT (Mathematik/ Informatik/ Naturwissenschaften) Studienfächern und auch im direkten Vergleich mit direkten Wettbewerbern (HP, Oracle, Intel, IBM, Cisco) im Spitzenfeld. 

Trotzdem glauben wir, wir können noch besser werden. Unser Ziel ist es, die Zahl der Frauen und auch die Zahl der Frauen im Management in unserem Unternehmen zu erhöhen, im Rahmen unseres grundsätzlichen Fokus auf Vielfalt als wichtiger Bestandteil unserer Unternehmenskultur.

SAP ohne spürbaren Fachkräfte-Engpass

 Career-Women.org: Hat der viel zitierte Fach- und Führungskräftemangel die Personalpolitik in punkto Frauen beeinflußt?

Angelika Dammann: Laut BITKOM fehlen in Deutschland aktuell über 28.000 IT-Experten. Momentan hat SAP keinen Fachkräfte-Engpass im engeren Sinne. Aber SAP existiert im Verbund mit anderen  Hightech-Unternehmen, deshalb müssen wir uns für den demographischen Wandel vorbereiten:  Wer wachsen will, braucht hervorragende Mitarbeiter.  

Kein Unternehmen kann es sich heute leisten auf hochmotivierte und gut ausgebildete Mitarbeiterinnen zu verzichten. Weibliche Fach- und Führungskräfte stellen ein enormes Potenzial dar. Um unternehmensweit einen guten Mix an weiblichen und männlichen Mitarbeitern zu realisieren, ist es wichtig, dass Unternehmen weibliches Potenzial  fordern und fördern. Dazu gehört auch das Angebot von flexiblen Arbeitszeitmodellen, Home-Office und Jobsharing-Modellen. So kann eine bessere Balance zwischen Familie und Karriere bewerkstelligt werden.

 Career-Women.org: Was halten Sie von einer gesetzlichen Frauenquote?

Aktive Förderung und richtige Rahmenbedingungen

Angelika Dammann: Ich bin der Überzeugung, dass dieses Thema besser über aktive Förderung als durch eine strikte Quotenvorgabe zu lösen ist. Untersuchungen zeigen, dass mehr Frauen in Führungspositionen und generell in Unternehmen sich positiv auf den Unternehmenserfolg auswirken. Es wäre allerdings schade, wenn man dies durch eine strikte Quote regeln müsste. Wir haben bereits einen Frauenanteil von rund 30% und glauben, dass aktive Förderung und die Schaffung der richtigen Rahmenbedingungen der bessere Weg sind.

 Wir wünschen uns aber auch Vielfalt hinsichtlich der kulturellen und nationalen Hintergründe unserer Mitarbeiter, wie auch die generelle Wertschätzung der „Andersartigkeit“. Diese Diskussion geht weit über den  Geschlechterunterschied hinaus. Wir fördern Verschiedenheit mit der Zielsetzung, das Bewusstsein für spezifische Denk-, Kommunikations- und Arbeitsstile von Menschen zu wecken, vor allem bei den Führungskräften der SAP. Im Sinne einer ganzheitlichen Vielfalt ist es uns jedoch wichtig, dass sich diese Vielfalt nicht nur bei Aufsichtsräten oder Vorständen abbildet, sondern auf allen Ebenen in der Organisation. So haben wir allein im Standort Walldorf etwa 80 verschiedene Nationen in unser Belegschaft und feiern unsere Diversity regelmäßig.

 Career-Women.org: Haben Sie so etwas wie Privatleben oder Hobbies?

Angelika Dammann: Natürlich brauche auch ich Ausgleich.  Ich verbringe meine Freizeit am liebsten mit meiner Familie, meinem Mann und meinem Sohn. Ich bewege mich gerne an der frischen Luft, etwa beim Radfahren.  Außerdem bin ich neugierig und versuche immer wieder Neues wie zum Beispiel Wasserski und Paragleiten. Ich reise auch sehr gerne, besonders nach Asien und erfreue mich an Konzerten.