Weibliches Verhandlungsgeschick gefragt

Die Anforderungen an eine Einkäuferin oder einen Einkäufer sind umfangreich: Verhandlungsgeschick, hohe Sozialkompetenz und Belastbarkeit gehören zu den wichtigsten Eigenschaften, die eine Person in einer solchen Position aufweisen sollte; aber auch auf Teamfähigkeit und Durchsetzungsvermögen kommt es an. Frauen sind dabei häufig allerdings unterrepräsentiert: Ihnen wird tendenziell unterstellt, über weniger Reisebereitschaft und ein geringeres technisches Verständnis zu verfügen. Dabei handelt es sich allerdings um Eigenschaften, die im Anforderungsprofil eines Einkäufers kaum auftauchen. Warum mangelt es also an Einkäuferinnen?

Weibliche Eigenschaften bei Einkaufsverhandlungen gefragt

Eine kürzlich vom Institut für Transportwirtschaft und Logistik der WU Wien durchgeführte Studie zum Thema „Sind Frauen die besseren Einkäufer“ (PDF) setzte sich mit dieser Thematik ausführlich auseinander: Dabei wurden zunächst die bereits genannten Eigenschaften durch empirische Befragungen als jene definiert, die für eine Stelle als Einkäufer in der Industrie von besonderer Bedeutung sind. Abgesehen von der Durchsetzungsfähigkeit, die eher Männern zugeschrieben wird, scheinen Frauen nach objektiver Beurteilung im Vorteil zu sein. Dafür, dass dieses Potenzial in vielen Unternehmen nicht erkannt wird, scheint es allerdings eine sehr profane Erklärung zu geben: Nicht die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf führt zu einem Ungleichgewicht, sondern die Tatsache, dass die Personalentscheidung von vornehmlich männlichen Einkaufsleitern gefällt wird – die in der Regel die für die Stelle notwendigen Eigenschaften eher Männern zuschreiben. Dabei könnte ihre pragmatischere Herangehensweise einen gewissen Anteil daran haben, dass Frauen durchaus im Vorteil sind.

 Grundsätzlich scheint mittlerweile die Tatsache gesichert zu sein, dass Männer eher die „Konfrontation“ suchen, wogegen das weibliche Geschlecht hier eher vermeidend agiert. Eine Konfrontation ist allerdings bei einer Einkaufsverhandlung sicher kein Erfolgsgarant. Wer hingegen durch eine hohe Sozialkompetenz punkten kann, der wird auch die Sympathien für sich gewinnen und genau das macht sich im Ergebnis nicht selten stärker bemerkbar, als die reinen Fachkompetenzen. Die inhaltlichen Fragen sind bei solchen Verhandlungen, welche von Kaufleuten durchgeführt werden, ohnehin oft nur von sekundärer Bedeutung; in der Regel sind die Eigenschaften genormt oder detailliert festgelegt. 

Soft Skill mit steigendem Stellenwert

Für einige Fachleute ist es deshalb nur eine Frage der Zeit, bis sich auch die Anzahl der Einkäuferinnen in der Industrie weiter erhöht. Das Umdenken bei den Personalverantwortlichen setzt schon seit Jahren ein: Das abseits der fachlichen Qualifikationen die Soft Skills stärker an Bedeutung gewinnen und entsprechend honoriert werden, zeigt sich bereits heute. Im Windschatten der regelmäßig geführten Debatte um eine gesetzliche Frauenquote beginnen immer mehr Unternehmen damit, offene Stellen bevorzugt mit Frauen zu besetzen. Dadurch befinden sich auch immer mehr Frauen in Führungspositionen, wie eine Studie der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg aus dem Jahr 2013 gezeigt hat. Allein diese Tatsache schafft langfristig auch die Chance für einen generellen Strukturwandel, zumal Frauen in Führungsposition nicht abgeneigt sein werden, Einkäuferinnen einzustellen.

Frauen im Einkauf werden immer wichtiger

Hohe Sozialkompetenz, Belastbarkeit und Verhandlungsgeschick: Frauen eignen sich perfekt als Einkäuferinnen in der Industrie – was nur bisher kaum bemerkt wurde. Denn immer noch wird dieser Beruf hauptsächlich von Männern bekleidet. Ein Umstand, der laut einer aktuellen Studie scheinbar auf falschen Annahmen fußt. Denn das gemeinhin bessere technische Verständnis von Männern spielt im Einkauf kaum eine Rolle; und auch die bei Frauen mutmaßlich geringere Reisebereitschaft scheint in der Praxis weniger hinderlich als angenommen. Schuld an den für Frauen ungünstigen Beschäftigungsquoten im Einkauf sind wohl vielmehr die männlichen leitenden Angestellten, die auch bevorzugt Männer einstellen. Künftig könnte das Potenzial der Frauen aber stärker Bedeutung haben, weil Soft Skills ein immer höherer Wert beigemessen wird, sofern dieses Potenzial dann auch genutzt werden kann: Denn in Zeiten von Firmen-Datenbanken wie Industrystock & Co könnte sich ein Teil der Verhandlungen zunehmend in das Internet verlagern, wo Frauen mit hoher Sozialkompetenz kaum punkten können.