Kaiserin Steffi?

Der Gewinn der Frauen-Fußball-WM würde die Laufbahn der Ausnahme-Kickerin Steffi Jones krönen und Deutschlands erfolgreichste Fußballerin, Steffi Jones (39), zur „Kaiserin Steffi“ als Nachfolgerin von „Kaiser“ Franz Beckenbauer machen. Als Präsidentin des Organisationskomitees der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2011 steht das Kick-Talent kurz vor dem absoluten Höhepunkt ihrer Entwicklung auf dem Fußball-Feld und beim Deutschen Fußball Bund (DFB).

Steffi Jones ist Weltmeisterin (2003), Olympia-Dritte (2000, 2004), Europameisterin (1997, 2001, 2005) und außerdem mit ihren Frankfurter Vereinen FSV und 1.FFC 6fache Deutsche Meisterin sowie 4fache DFB-Pokal-Siegerin, doppelte UEFA-Pokal-Siegerin und während ihres Amerika-Gastspieles bei Washington Freedom US-Meisterin (2003).

„Beckenbauer ist eine Lichtgestalt. Er ist ein Vorbild. Ich fände es ehrenvoll, als ‚Kaiserin’ bezeichnet zu werden, aber ich habe auch mein eigenes Profil,“ sagte sie im „Wortwechsel“-Interview mit Walter Janson vom Südwestrundfunk. Vom Start am 26. Juni in Berlin bis zum Finale am 17. Juli in Frankfurt wird sich zeigen, wie perfekt Steffi Jones und ihr Team die Weltmeisterschaft organisiert hat. „Sommermärchen reloaded“ spekuliert die Fachpresse in Erinnerung an die Männer-WM 2006. Die erfolgsverwöhnten Kickerinnen des DFB haben mindestens so gute Chancen auf den Titel wie ihre männlichen Kollegen vor fünf Jahren.

Um ein Haar wäre Steffi Jones nicht auf dem Fußball- sondern auf dem Tennisplatz gelandet. Denn ihre Mutter Lilo war begeisterter Fan von Steffi Graf, die in den siebziger und achtziger Jahren als Weltstar des „weißen Sports“ gefeiert wurde. Der gleiche Vorname des Kicker- und des Tennis-As’ stützt diese Vermutung. „Aber ich entdeckte, dass ich lieber einen Mannschaftssport betreiben wollte“, erklärte Steffi bei einem Gespräch.

Mit vier Jahren am Ball

Die Faszination des runden Leders entdeckte sie übrigens schon mit vier Jahren auf den Straßen und Plätze ihrer Heimatstadt Frankfurt. Im Vorort Bonames, den man heute als „sozialen Brennpunkt“ beschreiben würde, lebte Steffi mit ihrem Bruder und ihrer Mutter. Ihr Vater, ein farbiger US-Soldat, verließ die Familie, als sie drei Jahre alt war. Er kümmerte sich auch viele Jahre nicht um seine Tochter. „Ich habe ihn einmal in Amerika getroffen, aber wir hatten uns nichts zu sagen“, erinnert sie sich.

Ihr großer Bruder nahm sie mit zu den Fußballspielen und so entdeckte das kleine Mädchen seine Leidenschaft für das Ballspiel, das ihr ganzes Leben verändert und sie aus dem sozialen Ghetto befreit hat. Mit großer Energie und ebenso großem sportlichem Talent gelang es ihr, diesen schwierigen Lebensumständen zu entkommen. Schon früh fand sie in den lokalen Sportvereinen eine soziale Heimat, in der sie auch Halt für die vielen Probleme in ihrer Jugend erhielt. Ihre Mitspieler gaben ihr den Spitznamen „Schoko“, den sie aber nicht als Diskriminierung auffasste. Nachdem sie bei einen Kaufhausdiebstahl erwischt wurde, änderte sie ihren Lebenswandel. „Das war mir eine Lehre,“ schreibt sie in ihrer Autobiografie „Der Kick meines Lebens“.

Ausbildung zur Handelskauffrau

Sie machte eine Ausbildung als Groß- und Außenhandelskauffrau und hat mittlerweile auch eine Profi-Trainerausbildung an der Kölner Sporthochschule. Sie ist deutsche und zugleich die US-Amerikanische Staatsbürgerin.
Steffi Jones hat zwei Brüder, der ältere kämpft seit mehr als 20 Jahren mit seiner Drogensucht. Obwohl er die Fußball-Meisterin inzwischen zur Tante gemacht hat, hat er nicht die Kraft, seine Krankheit zu besiegen. Ihr jüngerer Bruder, Frank, war schon als vierjähriger Junge mit seinem Vater, ebenfalls einem US-Soldaten, in die Staaten gegangen. Im Irak wurden ihm nach einem Überfall beide Beine amputiert. Seine Schwester und auch seine Mutter kümmern sich intensiv um ihn.

Unter ihren vielen sportlichen Titeln ist auch der der amerikanischen Meisterin im Frauen-Fußball für die Mannschaft Washington Freedom, den sie 2003 erkämpfte. In den USA verdient sie auch zum ersten Mal richtig Geld: 55.000 Dollar Jahresgehalt sollte sie erhalten, doch die neu gegründete Liga für Frauenfußball geriet in finanzielle Schwierigkeiten, kürzte die Gehälter und machte bald darauf pleite. Zurück in Deutschland musste sie wieder kleine Brötchen backen, denn in der Bundesrepublik wurde damals für fußballspielende Mädchen und Frauen kaum Geld gezahlt.

Aber die Achtung für Frauen auf dem Kickerfeld war in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts ohnehin gering. Steffi spielte von 1976 bis 1986 mit den Jungs vom SC Bonames in ihrer Heimatstadt Frankfurt bevor sie zur neu gegründeten Frauen-Mannschaft der SG Praunheim wechseln konnte. Nach insgesamt 111 Länderspielen beendete sie 2007 ihre Ausnahmekarriere als Mitglied des 1. FFC Frankfurt und der deutschen Nationalmannschaft.

Präsidentin des FIFA-OKs mit vielen Ehrenämtern

DFB Präsident Dr. Theo Zwanziger berief sie wenige Monate später zur Präsidentin des Organisationskomitees für die FIFA-Frauen-Weltmeisterschaft 2011. Sie arbeitet außerdem in vielen Ehrenämtern. So ist sie Schirmherrin des Projektes „girls boys in ballance 2011“,
Kuratoriumsmitglied der Stiftung Deutsche Sporthilfe Hessen, Patin der Initiative der Sepp-Herberger-Stiftung „Anstoß für ein neues Leben“ Kampagne „Schwarz-Rot-Bunt“ und engagiert bei der Stiftung chronisch kranker Kinder. „Ich unterstütze eine Initiative, Fußball an 20.000 Grundschulen populär zu machen,“ fügt sie hinzu. Sie geht auch, so oft wie es ihre Zeit erlaubt, selbst zu den Schülern, um in den Klassen für ihren Sport und seine Werte für die persönliche Entwicklung zu werben. Wer sein Leben dank des Fußball-Talents so genial wie sie gemeistert hat und sich aus den sozialen Fesseln seiner familiären Herkunft befreit hat, findet auch bei jugendlichen Zuhörern Vertrauen und Glauben. Das konnte sie auch bei einem Besuch in der JVA Köln, dem legendären „Klingelpütz“, beweisen. Mit der dortigen Frauen-Fußballmannschaft absolvierte sie eine Trainingseinheit. „Dieses Projekt zeigt, wie durch die integrative Kraft des Fußballs eine Rückkehr in das gesellschaftliche Leben erleichtert werden kann. Fußball kann auch zu einer Schule des Lebens werden“, sagte sie nach dem Besuch im vergitterten Köln-Ossendorf. Sie wurde u.a. mit dem Verdienstorden des Landes Hessen ausgezeichnet und in den USA in die Hall of Freedom aufgenommen. Das gilt als die höchste Auszeichnung für Sportler in den Vereinigten Staaten.

Was plant die Meister-Kickerin nach dem hoffentlich erfolgreichen Abschluss der Frauen-WM? Die gelernte Kauffrau mit unbezahlbaren internationalen Erfahrungen und einem riesigen Netzwerk kann sicher als Fußball-Lehrerin aktiv werden. „Ich würde gerne mit Kindern und Jugendlichen arbeiten“, sagte sie im „Wortwechsel“ des SWR. Aber sie fände es auch „sehr geil, wenn eine Frau es schafft, sich bei den Männern durchzusetzen und die erste Frau zu sein, die eine Männer-Mannschaft trainiert“. Gleich danach schränkt sie bescheiden ein: „Das muss nicht meine Wenigkeit sein. Das kann auch eine irgend eine andere Frau sein. Das muss schon eine außergewöhnliche Frau sein.“

Dreimal dürfen Sie raten, lieber Leser, verehrte Leserin, an wen wir als erste dabei denken.