Nominierung von Aufsichtsräten im „Superwahljahr 2013“

Nach welchen Kriterien wird in deutschen AGs der Aufsichtsrat zusammengesetzt? Eine Studie von Dr. Michèle Morner ergab, dass Nominierungsregeln Mangelware sind. Obwohl verschärfte gesetzliche Regeln für Kontrolleure gelten, fehlen in rund 70 Prozent der börsennotierten Unternehmen konkrete Evaluationskriterien für die Stellenbesetzung, Angesichts des Superwahljahres 2013, in dem allein in den DAX-30-Unternehmen mehr als 80 Aufsichtsratmandate zur Wahl stehen, gewinnt die Studie an Brisanz.

„Der Aufsichtsrat ist so zusammenzusetzen, dass seine Mitglieder insgesamt über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen,“ heisst es vage im Corporate Governance Kodex der Regierungskommission. Lediglich beim Prüfungsausschuss wird die Kommission konkreter und empfiehlt: „Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses soll über besondere Kenntnisse und Erfahrungen in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen und internen Kontrollverfahren verfügen.“ Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass die wenigsten Aufsichtsräte eine Bilanz bis ins Detail lesen können. Aber wer bringt ihnen das bei? „Die Mandatsträger müssen selbst für ihr Wissen sorgen“, sagt Klaus-Peter Müller, Vorsitzender der Corporate Governance Kommission.

 „Ex-Vorstand“ als einziges Nominierungskriterium

Professor Dr. Michèle Morner, Leiterin des Reinhard-Mohn-Instituts für Unternehmensführung und Corporate Governance an der Uni Witten-Herdecke, fasst das Ergebnis ihrer Studie für das Handelsblatt folgendermaßen zusammen: „Das einzige Nominierungskriterium, das wir gefunden haben, ist das vom Ex-Vorstand. Wer kein Ex-Vorstand ist, wird nicht ernst genommen.“ Ungeachtet dieses ernüchernden Ergebnisses kommt Bewegung in die nachweisliche Qualifizierung von Aufsichtsräten.

Prüfung zum Qualifizierten Aufsichtsrat

Nicht nur die Debatte um eine Frauenquote in deutschen Aufsichtsräten habe die Diskussion um die Professionalisierung der Kontrollarbeit befeuert, schreibt die Managementberatung Kienbaum. Ein Nachweis der Qualifikation sei generell überfällig, sagt Jürgen Kunz, Stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung, und machte Nägel mit Köpfen. Er ist der erste zertifizierte Qualifizierte Aufsichtsrat, der die entsprechende Prüfung der Deutschen Börse in 14 unterschiedlichen Sachgebieten erfolgreich durchlaufen hat“, heisst es in der Pressemeldung vom 6.6.12.

Die Deutsche Börse Academy bietet zertifizierte Lehrgänge zur Vorbereitung auf die Prüfung zum Qualifizierten Aufsichtsrat (QAF) an. Die Prüfung kostet 1.500 Euro plus Mwst. Als Ziel wird genannt:“Angehende sowie bereits gewählte Aufsichtsräte haben mittels des Ablegens der Prüfung die Möglichkeit ihre Weiterbildung im Rahmen der Aufsichtsratstätigkeit zu dokumentieren und damit den Forderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex 2010 nach eigenverantwortlichen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen nachzukommen.“

Inzwischen ergreifen auch Verbände und Vereinigungen die Initiative. Die Vereinigung Deutscher Aufsichtsräte e.V. (VDAR) will „die Aufsichtsgremien dabei unterstützen, die Qualität der Aufsichtsratsarbeit zu verbessern. Er soll bei der Formulierung von Grundsätzen ordnungsmäßiger Aufsichtsratsarbeit mitwirken. Der VDAR soll die Interessen der Aufsichtsräte vertreten. Außerdem wird der VDAR den Erfahrungsaustausch zwischen den Aufsichtsräten, zwischen Wissenschaftlern und „Praktikern“ und mit ausländischen Aufsichtsorganen fördern.“

Die kürzlich gegründete Vereinigung der Aufsichtsräte in Deutschland (VARD) ist ein gemeinnütziger Berufsverband, „gegründet von Aufsichtsräten für Aufsichtsräte“, betont Initiator und Mitbegründer Peter H. Dehnen, Geschäftsführender Gesellschafter der GermanBoardRoom GmbH (GBR): „Das Ziel von VARD ist nicht nur die Professionalisierung der etwa 100.000 Aufsichtsräte in deutschen Unternehmen, sondern auch, diesem Berufsstand eine starke Stimme zu verschaffen und dessen Interessen in der Diskussion mit Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit unter anderem über Regeln, Normen und Berufsbild zu vertreten.“ In einem ersten Schritt will VARD die „Berufsstandards der Aufsichtsräte in Deutschland“ erarbeiten und diese – zunächst innerhalb von VARD – zur Diskussion stellen. Die ersten Ergebnisse wurden auf dem 1. Deutschen Aufsichtsratstag in Düsseldorf vorgestellt. Unter den 12 Keynote Speakern war eine einzige Frau, Dr. Viktoria Kickinger, Initiative Aufsichtsräte Austria (INARA GmbH), Wien. Kein Interesse oder nicht eingeladen?

Vorbereiten will auch der Verband deutscher Unternehmerinnen (VDU) künftige Aufsichtsratsmitglieder – und zwar weibliche, die in der VDU-Datenbank erfasst sind. Das Projekt wird von der Bundesinitiative Frauen in der Wirtschaft gefördert. Bisher werden die rund 450 Frauennamen, die in der Datenbank eingetragen sind,  zwar nicht besonders intensiv nachgefragt, aber die 150 verfügbaren Seminarplätze haben die fleißigen Frauen dennoch schon ausgebucht, weiss das Handelsblatt.