Business-Power mit bulgarischem Temperament

Sie hat Temperament und das Gespür für gute Geschäfte in einer globalisierten Welt. Sie verbreitet ein Gefühl der Lebenslust verbunden mit unermüdlicher Tatenkraft. Selbst eine komplizierte Knieverletzung, mitgebracht aus dem letzten Skiurlaub, kann ihren hohen Einsatz im Job nicht bremsen. Nelly Kostadinova, Inhaberin der Lingua-World und erfolgreiche Unternehmerin mit bulgarischem Blut.

Nelly Kostadinova, gebürtige Bulgarin, kam 1990 erstmals nach Deutschland, genauer gesagt nach Köln. Anlass war ein einjähriges Stipendium, dass ihr die Konrad-Adenauer-Stiftung als Nachwuchs-Journalistin finanzierte. Aus dem einen Jahr sind inzwischen 17 geworden. Das Stipendium nutzte die Bulgarin, um deutsch zu lernen – neben russisch, serbo-kroatisch und englisch die vierte Fremdsprache. Zunächst verdiente sie ihr Geld als Journalistin, später als gefragte Dolmetscherin und Übersetzerin in und um Köln. Heute ist sie erfolgreiche Inhaberin und Gründerin von Lingua-World mit 11 bundesweiten Filialen, 40 Mitarbeitern und mehr als 10.000 freien Übersetzern in der ganzen Welt. Die Übersetzungsaufträge reichen von der Heiratsurkunde über den Arbeitsvertrag bis zur Bedienungsanleitung für Schwerlastkräne. Im letzten Jahr feierte die Unternehmerin mit ihrem Team 10-jähriges Firmenjubiläum.

Vier der elf Filialen von Lingua World sind Franchisebetriebe. Die Nummer fünf wird in Kürze in Bochum eröffnet. Bis 2010 sollen weitere 20 in Deutschland folgen. Beim Franchise-Test der Zeitschrift Impulse wurde das Konzept der Kölnerin als zweitbestes ausgezeichnet. Alle Filialen, d.h. inklusive der sieben eigenen, bieten einen 24-Stunden-Service an. Das Leistungsportfolio beinhaltet sämtliche Sprachen der Welt inklusive seltener Dialekte. Fachspezifische Übersetzungen werden auf der Basis neuester Technologien und einem „Translation-Memory-Program“ erstellt.

business-on.de: Frau Kostadinova, wir haben gerade Karnevalszeit. Wie wirkt das karnevalistische Treiben auf eine gebürtige Bulgarin?

Nelly Kostadinova: Ich habe den Kölner Karneval kennen gelernt, bevor ich deutsch sprechen konnte und zwar in einer Kneipe in der Südstadt. Diese physische Enge war vollkommen neu für mich. Karneval bedeutete damals für mich die emotionale Integration.

business-on.de: Die meisten Deutschen haben von Bulgarien ein diffuses Bild.

Nelly Kostadinova: Bei Älteren ist das Bild noch vom letzten Krieg geprägt. Aber Bulgarien ist ein wunderschönes Land, der Tourismus boomt. Die Bulgaren sind stark auf dem Gebiet der Medizin und der IT. Ich freue mich, dass sie nun der EU angehören.

Deutsche überlegen länger

business-on.de: Wie würden Sie den Unterschied zwischen deutscher und bulgarischer Mentalität beschreiben?

Nelly Kostadinova: Der Bulgare ist ein offenherziger Mensch, er ist warmherzig und aufgeschlossen. Sein Ehrgefühl verbietet ihm, leere Versprechungen zu machen. In Deutschland habe ich erfahren, dass die Deutschen nicht oft und nicht schnell Ja sagen. Sie überlegen länger. Aber wenn ein Deutscher Ja sagt, dann steht er voll und ganz dazu. In Bulgarien hat man beispielsweise ganz viele Freunde. Hier in Deutschland habe ich einige wenige, aber sehr intensive Freundschaften.

business-on.de: Welche Vorstellung hatten Sie von den Deutschen, als Sie 1990 in die Bundesrepublik kamen?

Nelly Kostadinova: Ich hatte gelernt, dass die Deutschen kalt, gefühllos und introvertiert seien. Meine große Entdeckung war, dass die Deutschen ganz herzliche Menschen sind. Sehen Sie, ich war ganz alleine, als ich nach Deutschland kam. Aber das war nicht so schlimm, weil mir unwahrscheinlich viele Menschen in dieser Zeit ihre Hilfe angeboten haben.

business-on.de: Und wo haben Sie deutsch gelernt?

Nelly Kostadinova: Ich fragte damals auf englisch Leute in der Straßenbahn. Man nannte mir die Volkshochschule. Letztendlich habe ich die Sprache aber auf einer privaten Schule und in Kursen an der Uni Köln gelernt. Das war zwar insgesamt teurer, aber ich investierte das Geld, das ich während des Stipendiums von der Konrad-Adenauer-Stiftung bekam, gern in eine gute Sprachausbildung.

business-on.de: Hatten Sie bereits im ersten Jahr eine Vorstellung von dem, was Sie hier in Deutschland machen wollten?

Nelly Kostadinova: Ein Landsmann, den ich in der Konrad-Adenauer-Stiftung traf, fragte mich auch, was ich denn in Deutschland machen will. Ich sagte, schreiben. Und er: Aber Du kannst doch kein Deutsch. Ich antwortete ihm, das sei nur eine Frage der Zeit. Konkrete Vorstellungen, über das, was ich schreiben wollte, hatte ich damals nicht. Aber ich war voller Ideen. Später habe ich für viele deutsche Zeitungen über Bulgarien berichtet, beispielsweise für die FAZ, die Welt, den Kölner Stadtanzeiger. Meine letzte journalistische Arbeit war 1995 ein bulgarischer Reiseführer für den Meridian-Verlag.

business-on.de: Wann entdeckten Sie Ihr Talent als Übersetzerin bzw. Dolmetscherin?

Nelly Kostadinova: Es fing damit an, dass die Carl Duisberg Stiftung jemanden suchte, der eine Studie über Verbrennungsanlagen vom Deutschen ins Bulgarische übersetzen kann. Das war noch während meines Stipendiats in Bonn. 1993 dolmetschte ich dann erstmals im Auftrag des Bundesamts für Flüchtlinge und ein paar Monate später für die Polizei. Meine Prüfung als staatlich anerkannte Übersetzerin und Dolmetscherin machte ich 1994.

business-on.de: Sie wurden eine sehr gefragte Dolmetscherin und Übersetzerin. Das hatte zur Folge, dass Sie Nonstop im Einsatz waren.

Erfolg mit harter Arbeit

Nelly Kostadinova: Das stimmt. Ich habe jeden Tag bei Gericht mindestens drei bis vier Termine gehabt. Nachmittags dolmetschte ich u.a. für JVA-Anwälte. Am Abend habe ich für meine Privatkunden Übersetzungen gemacht. Wenn mich die Polizei nachts angerufen hat, bin ich aufgestanden und hingefahren. Manchmal wusste ich morgens beim Klingeln des Weckers nicht mehr, ob ich tags oder nachts unterwegs war.

business-on.de: Dieses harte Arbeitspensum über viele Jahre sieht man Ihnen überhaupt nicht an, im Gegenteil.

Nelly Kostadinova: Die Zeit hat mir viel Spaß gemacht und das hält jung. Sehen Sie, ich habe in dieser Zeit gut verdient und hatte damit das Kapital angespart, um es in eine eigene Firma zu investieren. Ich brauche nicht, wie andere, heute einen Mercedes, morgen einen Porsche und übermorgen einen Rolls-Royce. Ich wollte ein Team haben, d.h., Menschen um mich, um die ich mich kümmern kann. Das entspricht meinem Mutter Theresa-Herz. Mir kam und kommt es nicht darauf an, hohe Abschreibungen vor Steuern zu haben. Meine Gewinne investiere ich lieber in Menschen.

business-on.de: Die Lingua-World GmbH wurde 1997 von Ihnen als alleinige Gesellschafterin gegründet. Ich würde meinen, Sie haben zum richtigen Zeitpunkt mit der richtigen Intuition die Zeichen der Globalisierung erkannt.

Nelly Kostadinova: Als ich die Firma gründete, sprach man noch nicht von Globalisierung. Meine Triebfeder war meine ungebremste Energie und die Vision, groß zu werden. Der Name „Lingua-World“, eine Idee meines Mannes, ist gleichzeitig Konzept. Damals kannte ich zwar noch nicht die Möglichkeiten der Vernetzung, aber ich stellte mir ein großes „Haus“ vor, in dem alle einheitlich arbeiten. Im Prinzip war das bereits die Voraussetzung für mein späteres Franchise-Konzept, ohne zu wissen, wie man das nennt.

business-on.de: Sie verfügen heute über ein Netz von mehr als 10.000 Übersetzern weltweit. Was muss ein guter Übersetzer bzw. Dolmetscher mitbringen?

Übersetzer mit Fachkenntnis wichtig

Nelly Kostadinova: Für mich ist wichtig, dass er die Sprache auch auf Fachebene beherrscht. Lingua-World hat sich in den zehn Jahren vom Volldienstleister zum Spezialisten in Nischenmärkten entwickelt. Sehen Sie, es reicht nicht, dass jemand gut in Medizin ist. Ich brauche die Fachkenntnis auf der Ebene Zahnmedizin, Medizintechnik oder Orthopädie. Wir haben inzwischen sehr gute Fachübersetzer auf der ganzen Welt.

business-on.de: Wie kommt man an die richtigen Leute weltweit dran, über IHK, Konsulat, oder?

Nelly Kostadinova: Ich habe eine Einkaufsabteilung, die rund um die Uhr recherchiert. Die Einkäufer nutzen dabei u.a. weltweite Internet-Portale für Übersetzer. Sie machen Aushänge in den Unis. Sie informieren sich, wie an Universitäten und Fachschulen Übersetzer ausgebildet werden. In Indien habe ich beispielsweise selbst einige Goethe-Institute besucht, um zu erfahren, wie die Menschen dort Deutsch lernen.

business-on.de: Wie ist die Zusammenarbeit mit den externen Übersetzern geregelt?

Strenge Aufnahmebedingungen für freie Übersetzer

Nelly Kostadinova: Wir machen mit den Externen Verträge über eine freiberufliche Zusammenarbeit. Darin sind auch die Anforderungen an Fachwissen und Qualität festgelegt. Die Kenntnisse werden vorab in drei Prüfungen abgefragt. Wenn alles stimmt, werden Sie in unsere Datenbank aufgenommen, die allen unseren Filialen und Franchisenehmern zur Verfügung steht.

business-on.de: In einer der letzten „Wirtschaftswochen“ konnte man nachlesen, dass Lingua-World für den Gebäudedienstleister Piepenbrock die Broschüre für eine Betriebsratswahl in 19 Sprachen übersetzt hat, u.a. in iranisch, thailändisch und afghanisch. Wie können Sie die Qualität der Übersetzungen bei der Sprachenvielfalt eigentlich gewährleisten?

Nelly Kostadinova: Das wird durch unser Qualitätsmanagement sichergestellt. Bei Branchen, bei denen es auf Fachtermini ankommt, erarbeiten wir zusammen mit dem Kunden einen Katalog von Fachbegriffen, der in der Datenbank gespeichert wird und für alle Übersetzer verbindlich ist. Zusätzlich wird jede Übersetzung von Lektoren hinsichtlich Grammatik und Fachtermini geprüft, bevor sie unser Haus verlässt.

business-on.de: Sie haben gerade zwei Azubis, die ihre Ausbildung bei Ihnen gemacht haben, in ein festes Anstellungsverhältnis übernommen. Werden Sie dieses Jahr weitere Ausbildungsplätze anbieten?

Nelly Kostadinova: Ja, ich plane drei Ausbildungsplätze im Bereich Buchhaltung und Projektmanagement.

business-on.de: Chorweiler gilt seit Jahren als sozialer Brennpunkt mit der größten Dichte an Menschen mit Migrationshintergrund. Seit sechs Jahren unterstützen Sie als Patin das Jugendzentrum Chorweiler. Wie können Sie helfen?

Patin im Jugendzentrum Chorweiler

Nelly Kostadinova: Das Projekt liegt mir sehr am Herzen, weil gerade für diese jungen Menschen die deutsche Sprache und die Schulbildung so wichtig sind. Deswegen bin ich froh, dass ich finanziell dazu beitragen kann, dass zwei Lehrkräfte nachmittags bei den Hausaufgaben helfen. Außerdem erhält das Jugendzentrum zu Weihnachten einen Scheck, damit die Kinder auch mal verreisen können. Im letzten Jahr waren sie in der Burg Blankenheim.

business-on.de: Sie kommen gerade aus dem Skiurlaub. Leider mit Krückstock und Kältepack, weil das linke Knie noch lädiert ist. Gibt es noch Zeit für andere Hobbies?

Nelly Kostadinova: Ja, ich bin jede Woche viel mit Bahn und Flugzeug unterwegs und das ist die beste Zeit zum Lesen. Am liebsten deutsche, klassische Literatur. Z.B. Thomas Mann, dessen Fähigkeit zum Detail ich überaus schätze.

business-on.de: Sind Sie eigentlich stolz, auf das was Sie erreicht haben?

Nelly Kostadinova: Ja, ich bin zufrieden und froh, so beschäftigt zu sein, dass keine Zeit bleibt, um über den Erfolg nachzudenken. Wenn ich abends aus dem Büro zum Auto gehe, sage ich, das war ein toller Tag. Und mit dieser Stimmung komme ich nach Hause. Das macht mein Leben so schön.

business-on.de: Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?

Nelly Kostadinova: Ich möchte mich mit Lingua-World weiter etablieren. Schon allein deswegen, weil der Übersetzermarkt immer noch ein negatives Image hat. Die Globalisierung hat das durch viele Trittbrettfahrer noch verstärkt. Ich möchte dazu beitragen, dass Qualität sich in unserem Metier durchsetzt.