Auch im Job müssen Frauen Nein sagen können

Logisch: Sympathischen Menschen kommt ein Ja leichter über die Lippen als ein Nein. Schließlich ist das Ja der Kitt unserer sozialen Kontakte. Sage ich Ja zu deiner Bitte, sage ich Ja zu dir als Mensch. Wenn das Ansinnen des anderen nachvollziehbar ist und unseren eigenen Interessen nicht zuwiderläuft, spricht auch nichts gegen ein wenig Mühe, die so ein Ja nach sich zieht.

Denn ob man an Karma glaubt oder nicht: Jedes Ja kommt irgendwann zu mir zurück – wenn auch nicht immer von der Person, die von diesem Ja profitiert hat. Manchmal ist eben auch Undank der Welt Lohn. Damit muss man leben, das muss man auch mal in Kauf nehmen, wenn man nicht als bärbeißiger, unzugänglicher Stinkstiefel gelten will.

Mit dem Nein ist es kniffliger. Mit ihm zögern wir auch dann, wenn wir es angezeigt wäre. Warum? Weil wir beim Nein, das wir geben, an das Nein denken, das wir bekommen. Analog zum Ja geistert uns das Gefühl im Bauch herum, dass ein Nein zur Bitte ein Nein zur Person bedeutet. Unterm Strich führt das leicht dazu, dass wir zu Everybodys Depp werden, nur weil wir Everybodys Darling sein wollen. Im Freundeskreis kann man sich zum Glück meistens darauf verlassen, nicht ausgenutzt zu werden. Aber im Job endet diese Haltung fatal.

Wenn wir Nein sagen, plagt uns die Sorge, wir könnten unsere Kollegen verärgern, den Chef enttäuschen oder einen Kunden verprellen. Wir Frauen tun uns damit besonders schwer. Für „richtige Kerle“ ist jede Diskussion ein durch Testosteron befeuertes Kräftemessen mit dem Nein als Mittel der Auseinandersetzung. Wir Frauen hingegen sind zu Konsens und Kompromiss erzogen. „Sei eine liebe Prinzessin. Eck nicht an, Fall nicht auf und, um Himmels Willen, keine Konflikte!

Dabei ist Nein sagen zu können so wichtig. Wer sich im Beruf durch zu viel Ja zu viele Verpflichtungen auflädt, kommt schnell in Teufels Küche. Überlastung, Verzettelung, und Fremdbestimmung sind die Folge, die uns von unseren eigenen Zielen und Aufgaben abhalten. Ein vorschnelles Ja zu Überstunden für einen Kollegen, der auch beim dritten Mal keine Lust hat, sich ans neue Newsletter-Template zu wagen oder für das wichtige Angebot zu recherchieren, kostet uns wertvolle Zeit mit Familie und Freunden. Unsere Hobbys bleiben auf der Strecke, die Work-Life-Balance gerät aus den Fugen, und im Job werden wir zu Getriebenen, die am Ende immer zuerst für den wirbeln, der am lautesten krakeelt.

Zeit für ein Umdenken: Ein Nein ist nicht nur negativ. Jedes begründete Nein ist eine wertvolle Abgrenzung gegen übertriebene Steuerung von außen und damit ein Ja zu mir. Richtig vorgebracht, zeigt es meinem Umfeld, wo meine Grenzen sind. Positiv definiert es aber auch, was innerhalb dieser Grenzen möglich ist. Entscheidend für ein selbstbewusstes Nein ist also immer ein Ja zu den eigenen Aufgaben, Plänen und Wünschen. Frauen, die wissen, wo sie hinwollen und was dafür nötig ist, haben eine klare Leitlinie, welches Ja geht und welches nicht.  

Das richtig ausgedrückte Nein stellt eine Herausforderung dar. Während Männer kühl und souverän scheinen, weil das Nein fast vegetativ aus ihrem Rückenmark kommt, bemühen Frauen sich oft darum, besonders fest zu wirken. Sie sprechen laut und gestikulieren und verraten damit ihre Unsicherheit. Cleverer und wirkungsvoller ist eine Absage im Tonfall eines „Ich brauche noch Butter und Milch.“ oder eines „Heute hat das Fitnessstudio wegen Renovierung geschlossen.“ Das professionelle Nein enthält keinen Vorwurf und ist nicht anklagend. Es lässt kein Hintertürchen durchscheinen und klingt sachbezogen und souverän. Eine kurze Begründung reicht. Weitschweifige Erklärungen sorgen nur dafür, dass Kollegen eine Lunte riechen, wo keine ist und denken: „Da geht noch was. Ich muss nur noch ein bisschen bohren.“

Mit ein wenig Übung ist so ein begründetes Nein kein Problem. Und wenn man sich gerade überfahren fühlt oder eine Absage schwerfällt, weil das Helfersyndrom wie wild klingelt: Erst mal um Bedenkzeit bitten, um den weiblichen Ja-Impuls zu überlisten. So bleibt Zeit und Muße, in Ruhe nachzudenken: Will ich das wirklich? Bringt es mich weiter? Sind die oder der andere selbst auch so kollegial? Schaffe ich meine eigenen Aufgaben dann noch? Wenn es hier Nein heißt: Finger weg! Das sind Sie sich selbst, Ihren Lieben und definitiv auch ihrem Unternehmen schuldig.

In meinem Buch „Weck die Chefin in dir! 40 Strategien für mehr Selbstbehauptung im Job“ kommen meine Teilnehmerinnen ausführlich zu Wort. Vielleicht mögen Sie einmal hinein schnuppern? Oder aber in den 44 Rezensionen (einige darunter von begeisterten Männern) auf Amazon lesen? Ich freue mich riesig, wenn Sie mir über Ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem jeweils anderen Geschlecht berichten. Vielleicht finden Sie sich ja in den Beschreibungen wieder? Und bekommen Ideen, es mal anders zu versuchen?www.meuselbach-seminare.de)