Weibliche Motivationsbremse

Im Rahmen des Forschungsprojekts Führungsmotivation im Geschlechtervergleich der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg beschäftigen sich die Psychologen Prof. Dr. Jörg Felfe, Gwen Elprana, Sibylle Stiehl und Magdalena Gatzka unter anderem mit der Frage nach der „weiblichen Motivationsbremse“, die Frauen auf ihrer Fahrt an die Spitze wertvolle Karrierekilometer kostet.

Die Ergebnisse der Studie wurden uns freundlicherweise vorab zur Verfügung gestellt und dürfen nur nach Absprache mit elprana@hsu-hh.de weiter veröffentlicht werden.

Kurzfristig bieten die Hamburger Forscher noch einen kostenfreien Test zur persönlichen Führungsmotivation an. Siehe www.fuehrungsmotivation.de.

Hintergrund der Studie

 Um die Bedeutung von Führungsmotivation und die unterschiedlichen Ausgangslagen von männlichen und weiblichen Chefs zu analysieren haben die ForscherInnen eine bundesweite Interviewstudie an den Anfang ihrer Forschungsarbeit gestellt. Mit den neuen Erkenntnissen wurde ein neues Diagnoseinstrument entwickelt, das ein differenziertes Profil der Führungsmotivation erstellt und wertvolle Erkenntnisse über die motivationalen Chancen und Hürden potenzieller Führungskräfte liefert. Ermöglicht wird das Projekt Führungsmotivation im Geschlechtervergleich durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Förderlinie „Frauen an die Spitze“.

1.1.  Aller guten Dinge sind drei – was bringt Frauen an die Spitze?

Kompetenz („Kann ich?“)

Die rege Diskussion um die Ursachen und die Heilmittel für den Frauenmangel in Führungspositionen ist in den Medien kaum noch wegzudenken. Wenigstens in einer Hinsicht ist sich die Forschungswelt heutzutage einig: Frauen sind mindestens genauso gute Führungskräfte wie ihre männlichen Kollegen (Eagly, Johannesen-Schmidt & van Engen, 2003)! Auf die Frage „Kann ich?“ ist also eindeutig mit „Ja!“ zu antworten. Bloß, wo bleiben die Frauen dann?

Rahmenbedingungen („Darf ich?“)

Schenkt man den meisten Berichterstattungen Glauben, kommt man relativ schnell zu der Überzeugung, dass es für die Unterrepräsentanz von Frauen in den Führungsriegen vor allem eine Erklärung gibt, nämlich unfaire Rahmenbedingungen: Gläserne Decke, fehlende KITA-Plätze, Diskriminierung und männlich gestrickte Netzwerke. Kein Wunder also, dass in Kleinstunternehmen nur knapp über 25% der Führungspositionen mit Frauen besetzt sind. Mit steigender Betriebsgröße und Hierarchieebene geht diese Geschlechterschere immer weiter auf, so dass in Großunternehmen nur noch 9% anzutreffen sind (Kohaut & Möller, 2010). Und das ist schmerzhaft, weil die Führungsposten gerade hier ein höheres Maß an Mitarbeiterverantwortung, größere Arbeitsplatzsicherheit und bessere berufliche Fördermaßnahmen bieten als kleinere Unternehmen (Holst, 2009).

Natürlich wäre es für die Frauen schön, wenn auch sie in ihren Genuss kämen. Aber abgesehen davon kann es sich die deutsche Wirtschaft im Angesicht des demographischen Wandels (destatis, 2009) auch gar nicht mehr leisten, potenzielle Führungsfrauen nicht aus der Karrierepipeline herauszuholen. So belegte bereits die erste „Women Matter“-Studie von McKinsey (2007) die wirtschaftlichen Vorteile von Unternehmen mit einer hohen Gender Diversity in der Führungsetage gegenüber dem Industriedurchschnitt:

Bei den Kennzahlen Eigenkapitalrendite, Gewinn vor Zinsen und Steuern und Wertpapiersteigerung liegen diese Unternehmen vorne! Faire Rahmenbedingungen sind also sowohl für Frauen mit Führungspotenzial als auch für die Wirtschaft von größtem Interesse. Doch Rahmenbedingungen sind bei Weitem nicht alles…

 Motivation („Will ich…?“)

…Was ist eigentlich mit jenen Frauen, die prinzipiell die Chance auf Führung hätten und auch das Zeug dazu besitzen – die sich aber bewusst gegen eine Führungsposition entscheiden? Verantwortlich für die Führungskräfteentwicklung in einem großen deutschen Dienstleistungsunternehmen, weiß eine von uns interviewte 43-jährige Angestellte bestens, welche Qualitäten eine gute Führungskraft mit sich bringen muss und wie man Teams zu guten Leistungen motivieren kann. Die Möglichkeit, selbst die nächste Sprosse auf der Karriereleiter zu erklimmen, lehnt sie jedoch dankend ab: „Also ich weiß ja rein theoretisch, wie es geht… aber ich bin keine Führungskraft, da bin ich zutiefst von überzeugt… Diese ständige Ansprechbarkeit, dieses ständige Austarieren, für alles ein Ohr zu haben… Ich hätte dann auch nicht unbedingt die Geduld mit Menschen, die aus irgendwelchen Gründen nicht motiviert sind… Das möchte ich gar nicht, ich möchte inhaltlich arbeiten.“ Derartige Beschreibungen machen deutlich: Bei der Suche nach Ursachen für den Führungskräftemangel im Allgemeinen vernachlässigen wir häufig die Frage nach der Motivation!

 1.2. Was möchten Frauen eigentlich?

Wie der Titel des Projekts Führungsmotivation im Geschlechtervergleich schon sagt, widmen sich die ForscherInnen der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg der Motivation, Führungsverantwortung zu übernehmen. Dabei gilt es, herauszufinden, ob Frauen überhaupt in die Chefetage wollen und auch, wodurch dieser Wunsch möglicherweise ausgebremst wird.

Mit der Entwicklung eines neuen Instruments ist es nun möglich, nicht nur eine gezielte Diagnose darüber anzustellen, ob Frau oder Mann führungsmotiviert ist, sondern auch, wie genau die Motivation beschaffen ist. Während Abteilungsleiterin A beispielsweise ihren Posten angenommen hat, weil es ihr einfach Spaß macht, Mitarbeiter anzuleiten, hat Abteilungsleiterin B vielleicht aus einem Pflichtgefühl heraus zugesagt – ist die eine am Ende erfolgreicher als die andere? Solche und weitere Fragen sowie ihre Bedeutung für die Praxis stehen zurzeit im Zentrum der Forschungsarbeiten.