Der Hollywood-Faktor: MINT-Frauen in Krimiserien machen’s vor

Seit in den USA erfolgreiche Krimiserien laufen, in denen Frauen als promovierte Chemikerinnen die Beweismittel analysieren, ist der Anteil an Frauen in den so genannten STEM-Fächern (science, technology, engineering, mathematics), vergleichbar mit den deutschen MINT-Fächern, sprunghaft angestiegen. Von Christiane Flüter-Hoffmann

Wenn Abby Sciuto in ihrem Labor herumwirbelt, schauen viele junge Frauen am Fernseher gebannt und begeistert zu. Abby ist die forensische Analytikerin aus der amerikanischen Krimiserie NCIS, die weltweit sehr hohe Einschaltquoten hat und eine Zeit lang die meist gesehene Fernsehserie überhaupt war. Abby ist Kult und zu einem Vorbild bei der Berufswahl vieler Amerikanerinnen geworden. Sie hat zahlreiche Studiengänge mit Auszeichnung abgeschlossen, darunter einen Masterabschluss in Kriminologie und forensischer Wissenschaft sowie einen Doktortitel in Chemie. 

Und der Einfluss des Fernsehens auf die Berufswahl junger Leute ist groß: Nach einer Befragung des Bundesforschungsministeriums unter 2.457 Jugendlichen im Jahr 2010 gab jede vierte Jugendliche an, durch Filme und Serien sogar auf ihren späteren Wunschberuf aufmerksam geworden zu sein. Damit hat das Fernsehen für deutlich mehr junge Frauen einen Einfluss auf die Berufswahl als der Schulunterricht (13 Prozent) oder die Berufsberatung (17 Prozent). Diese Studie wurde vom Projekt MINTiFF (MINT in fiktionalen Formaten) durchgeführt. Gleichzeitig wollte das Projekt ermitteln, welche Berufe in Spielfilmen, Serien oder Soaps vorkommen – das Ergebnis war ernüchternd: Das Programm der 5 großen Sender ARD, ZDF, RTL, SAT1 und Pro7 wurde über 14 Tage zu zwei Zeitpunkten 2009 und 2011 analysiert. Bei 56 Prozent der männlichen, aber nur bei 40 Prozent der weiblichen Haupt- und Nebenrollen stand der Beruf im Zentrum des Handelns. Und nur 0,7 Prozent der weiblichen Figuren arbeiteten in Forschung und Naturwissenschaft und sogar nur 0,5 Prozent in einem technischen Beruf. Ganz anders in den Serien und Spielfilmen in den USA.

Seit dem Start der Krimi-Serie CSI im Jahr 2000 ist ein regelrechter Hype um naturwissenschaftliche Berufe entstanden. Die Zahl der Frauen, die ein Studium in den STEM-Fächern aufnehmen oder sogar mit der Promotion abschließen, ist kontinuierlich angestiegen. Inzwischen legen weit mehr Frauen als Männer ihre Doktorprüfung in den Fächern Pharmazie und Biologie ab, in Chemie sind schon vier von zehn frisch gebackenen Doktoren Frauen (Grafik). Und im Berufsleben? In den USA stieg der Anteil der Frauen in den STEM-Berufen von 7 Prozent im Jahr 1960 auf inzwischen 26 Prozent. In Deutschland lag der Frauenanteil unter den 7,3 Millionen MINT-Beschäftigten im Jahr 2013 nur bei 14 Prozent. Allerdings gibt es hierzulande prozentual gesehen mehr Ingenieurinnen als in den USA: Dort stieg der der Anteil von 3 Prozent im Jahr 1970 auf 13 Prozent, in Deutschland hingegen von 2 Prozent im Jahr 1975 auf fast 19 Prozent 2013.

Als in den USA die Krimiserie NUMB3RS 2005 erfolgreich angelaufen war, sah das Unternehmen Texas Instruments (TI) darin eine Chance, Mathematik in der Bevölkerung beliebter zu machen und vor allem Schülerinnen und Schüler für Mathe zu begeistern. In der Serie löst ein FBI-Agent mit Unterstützung seines Bruders, einem Mathematik-Professor am California Institute of Technology (CalTech), erfolgreich seine Fälle. TI entwickelte in Kooperation mit der produzierenden Fernsehgesellschaft CBS und dem Amerikanischen Verband der Mathematik-Lehrer Unterrichtsmaterialien. Als Programm „We all use math every day”, erstellten sie die Materialien mit Bezug zu jeder einzelnen Folge der Krimiserie und gewannen später zahlreiche Preise damit. Die Mathematik-Lehrer konnten das Unterrichtsmaterial kostenlos verwenden. Auch in NUMB3RS gibt es weibliche Vorbilder: Hier handeln zwei Mathematik-Professorinnen nicht nur sehr clever und tough, sondern sie sind auch große Sympathieträgerinnen in der Serie.

Unter dem Motto „Science meets Hollywood“ tauschen sich Wissenschaftler und Produzenten in Los Angeles aus. Promovierte Physiker schreiben als Drehbuchautoren unterhaltsame und raffiniert gemachte Serienepisoden, Mathematik-Professoren beraten die Produzenten, wie in der Serie NUMB3RS, in der einige Drehs tatsächlich an der CalTech-Universität stattfinden und der Leiter des Mathematik-Lehrstuhls mit seinem Team die wissenschaftlichen Inhalte liefern.

Quelle iwd 36 vom 3. September 2015