Gleichstellung mit Gefühl für Gleichgewicht

Formal ist sie dem OB beziehungsweise dem Stadtdirektor unterstellt. Laut Landesgleichstellungsgesetz aber nicht weisungsgebunden, wenn es um Auftritte in der Öffentlichkeit geht. Gut so. Denn die attraktive und schlagfertige Frau ist eine bundesweit gefragte Referentin und Podiumsteilnehmerin: Christine Kronenberg, Amtsleiterin und Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Köln.

Köln war die erste Kommune bundesweit, die bereits 1982 eine Gleichstellungsbeauftragte benannte. Es war Lie Seiler, die sich bald über die Stadtgrenzen hinaus einen Namen als engagierte Frauenförderin machte. Ihre Nachfolgerin, Christine Kronenberg, übernahm das Amt und die Aufgabe 2001. Sie trat an mit dem Ehrgeiz, der Gleichstellungsziele ihrer Vorgängerin energisch weiter zu verfolgen, gleichzeitig ihnen aber auch ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Das sei ihr gelungen, so die Amtsleiterin aus dem Rhein-Erft-Kreis. Die Ergebnisse sprechen in der Tat für sie: Die Stadt Köln hat inzwischen eine Frauenquote in den obersten fünf Leitungsebenen von mehr als 33 Prozent. In den Dezernaten sind es sogar 57 Prozent. Und alle Frauen, so betont die 56-Jährige, haben sich qualifizierten Aufnahmeverfahren, d.h. ohne Quotenproporz, gestellt. „Mein Amt hat dazu beigetragen, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Früher wurden Posten nach Gutsherrenart vergeben.“

 Kaminkarriere in der Stadt Köln

Christine Kronenberg, verheiratet seit 33 Jahren, ein Sohn, besuchte eine Klosterschule. Dem Wunsch ihres Vaters, seine Spedition zu übernehmen, entzog sie sich, indem sie kurzerhand bei der Stadt Köln eine mit Studium kombinierte Ausbildung zur Verwaltungswirtin begann – eine typische Kaminkarriere, wie sie selbst sagt. Der Stadt Köln blieb sie treu. Nach dem Staatsexamen arbeitete Kronenberg 10 Jahre in der Organisation, weitere 10 Jahre im Personalwesen, zuletzt als Abteilungsleiterin für Aus- und Weiterbildung. Die Erfahrungen, beispielsweise mit der Qualifizierung von 400 Wiedereinsteigerinnen, seien von großem Vorteil gewesen, erzählt die Amtsleiterin.

career-women.org: Frau Kronenberg, Sie waren von 2006 bis 2010 Bundesprecherin der kommunalen Frauenbüros und Gleichstellungsstellen (BAG) mit Sitz in Berlin. Was waren die wichtigsten Themen? 

Christine Kronenberg: Ein Schwerpunkt war das Thema Entgeltgerechtigkeit rund um den Equal Pay Day, der sich zwischenzeitlich etabliert hat. So konnten wir Gleichstellungsbeauftragten in Kooperation mit BPW und natürlich mit Frau von der Leyen eine großartige Kampagne ins Rollen bringen. Heute weiß fast jedes Mädchen, dass Frauen in Deutschland 23% weniger verdienen als Männer und das finden alle Frauen zwischen 18 und 80 ungerecht. Entgeltangleichung ist derzeit übrigens nach wie vor mein Kernziel.

 career-women.org: Außerdem sind Sie in der Arbeitsgruppe „Familienfreundlichkeit“ bei der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGST). Die Politik, allen voran Familienministerin Schröder, fordert inzwischen per Charta familienfreundliche, flexible Arbeitszeiten von den Unternehmen. Gibt es bereits entsprechende Angebote für die Beschäftigten der Kölner Stadtverwaltung?

 Christine Kronenberg: Ja. Wir bieten zig Teilzeitmodelle. Es besteht auch die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Das wird auch großzügig gehandhabt, reicht aber meines Erachtens nicht aus. Meine Lösung zu dem Thema haben wir in dem gerade vorgelegten Frauenförderplan für die nächsten vier Jahre beschrieben. Darin sprechen wir nicht mehr von Vereinbarkeit sondern von Balance der Lebensbereiche.

 career-women.org: Was heißt Balance der Lebensbereiche?

Christine Kronenberg: Ich möchte, dass sowohl Männer als auch Frauen in einer bestimmten Lebensphase vollzeitnah arbeiten können. Die Betonung liegt auf Männer und Frauen und bezieht sich auf Elternzeit und Pflegezeit für kranke Familienangehörige.
Bisher sieht das klassische Modell leider immer noch so aus, dass Mann 40 – Frau 20 Wochenstunden arbeitet. Unsere Lösung ist, dass Frau ganz schnell in ihren Job zurückkehrt und beide, bitte schön, vollzeitnah, das heißt 32 Stunden (plus-minus) arbeiten.

career-women.org: Was ist damit gewonnen?

Christine Kronenberg: Sehr viel mit Blick auf Gesundheit, teilen von Familienpflichten und Altersversorgung von beiden und mit Blick auf beider Karrieren. Ich denke, nur so kann man das „Klumpenrisiko Frau“ entzerren.

 career-women.org: Klumpenrisiko?

 Christine Kronenberg: In den Augen der Führungskräfte stellt Frau mit 30+ immer noch ein Risiko dar. Sie fürchten hohe Ausfallzeiten durch Elternzeit oder Teilzeit. Und die Frauen machen sich selber zum Risiko, weil sie in meinen Augen viel zu lange zu Hause bleiben. Vielfach schieben sie ihr Problem dem Staat in die Schuhe. Das ist zu einfach. Ich weiß zwar auch, dass die Kinderbetreuung noch nicht ausreichend ist. Aber ich kenne auch Frauen, die trotz Kita-Platz oder mit „großen“ Kindern, 20 Stunden und weniger arbeiten.

 career-women.org: Wo stehen wir heute aus Ihrer Sicht in punkto Gleichstellung?

… noch nie waren Frauen so erfolgreich

Christine Kronenberg: Ich bin überzeugt, dass kämpferische Frauen in den letzten 100 Jahren in einem Turbo-Tempo 1000 Jahre aufgeholt haben. Soviel aufgeholt haben, das wir selbstbewusst feststellen können: Die großen Gleichstellungskämpfe um Wahlrecht, Arbeit, Ehe, Abtreibung sind ausgefochten, wir haben eine Kanzlerin, eine Generalbundesanwältin, eine ARD-Chefin … noch nie waren Frauen so erfolgreich. Aber, wissen Sie, was mir ältere Männer und junge Frauen sagen? „Die Diskussion um Frauen in Vorstände und Aufsichtsräte in Feuerwehren oder auf der Kanzel, liebe Frau Kronenberg, die ist ja lächerlich. Die Frauen sind so gebildet, so intelligent – die schaffen das jetzt alleine bis in die Vorstände. Also die, die wollen. Die nicht wollen, die erziehen die Kinder und können ja in Teilzeit und in Minjobs arbeiten. Das muss jede für sich entscheiden.“ Dann bekomme ich grüne Haare und Wallungen. Insbesondere wenn es Frauen meinen.

career-women.org: Die Bewusstseinsveränderung in der Gesellschaft muss eigentlich von der Frau ausgehen.

Christine Kronenberg:  Die Frauen sind aus meiner Sicht nicht so kämpferisch wie es unsere Generation war. Ich bin manchmal entsetzt darüber, wie viele Frauen sich im Familiennest einrichten, ohne sich dabei bewusst zu sein, dass nach heutigem Scheidungsrecht der vermeintliche „Komfort“ ein abruptes Ende haben kann. „Die Alleinerziehenden sind unsere treusten Kunden“, sagt Heinrich Alt, der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit. Er meint „Kundinnen“ und genau darin steckt das Risiko der Frauen, das zugleich ein staatliches ist. Hohe Scheidungsquoten, lange Erwerbspausen, Teilzeit und Minijobs, schlechte Bezahlung traditioneller Frauenberufe führen zu staatlicher und privater Abhängigkeit.

career-women.org: Sie sagten, dass Sie es als gesellschaftliche Verpflichtung ansehen, egalitäre Lebenspartnerschaften zu fördern. Was kann die Stadt als Arbeitgeberin dazu beitragen?

Perspektivgespräch mit Vater und Mutter

Christine Kronenberg: Wissenschaftlich ist erwiesen, dass gleichberechtigte Partnerschaften am langlebigsten sind. Heute wird zunehmend mehr auf gleicher Ebene geheiratet, das heißt das Paar startet zunächst mit den gleichen Voraussetzungen. Aber sobald das erste Kind kommt, verschieben sich diese Voraussetzungen – scheinbar einvernehmlich – in den meisten Fällen zu ungunsten der Frau. Deswegen sind unsere Führungskräfte verpflichtet, mit jedem werdenden Vater und mit jeder schwangeren Mitarbeiterin ein so genanntes Perspektivgespräch zu führen, in dem gemeinsam vereinbart wird, wie sich der Arbeitsprozess nach der Geburt gestalten soll. Wir wollen für beide Planungssicherheit unabhängig davon, ob jemand in Führungsposition ist oder nicht, Mann oder Frau.

 career-women.org: Im gerade vorgelegten Frauenförderplan haben Sie sich verpflichtet, den Anteil von weiblichen Führungskräften in den obersten vier Managementebenen von nunmehr 33 auf 47 Prozent bis 2014 zu erhöhen. Gibt es überhaupt so viele neu zu besetzende Führungsposten?

Es regnet Karrieren

Christine Kronenberg: Wir wissen, dass viele Führungskräfte in den kommenden Jahren in Rente gehen. Die demografische Entwicklung hinterlässt auch bei uns Spuren. Es gibt genug Frauen für jede Position. Deswegen unser Appell an die Frauen: Es regnet Karrieren. Ihr müsst in die Puschen kommen!

 career-women.org:  Wo sehen Sie heute Ihre vorrangigen Aufgaben im Rahmen des Frauenförderplans?

Christine Kronenberg: Karriereberatung steht bei uns im Vordergrund. Viele Frauen wollen zwar Karriere machen, aber sie wollen darauf angesprochen werden. Das funktioniert natürlich nicht. Wir machen ihnen klar, dass man selbst los marschieren muss und nicht abwarten darf, bis der Amtsleiter oder die –leiterin auf sie zukommt. Sie müssen forscher, selbstbewusster werden, denn kompetent sind sie allemal.

 career-women.org: Und was kann Ihr Amt dazu beitragen?

Christine Kronenberg: Wir bieten eine Erstberatung an. Wenn es anspruchsvoller wird, empfehlen wir Coaching. Teilweise wird das von der Stadt bezahlt und teilweise von den Frauen selber. Außerdem setzen wir auf Mentoring. Mentoring ist ein Erfolgsgarant für Frauenkarrieren schlechthin.