Frauenquote als Herausforderung für Business-Schools

Professorin Vasanthi Srinivasan, Inhaberin des ICCR-Lehrstuhls für Corporate Responsibility und Governance an der HHL Leipzig Graduate School of Management: „In einem hart umkämpften Markt, auf dem es den vielzitierten ‘Kampf um die besten Köpfe‘ gibt, haben diejenigen inklusiven Unternehmen einen unverwechselbaren Wettbewerbsvorteil, die Frauen fördern und sie aktiv in Führungspositionen und Aufsichtsratsgremien mit einbeziehen.“

Die EU-Kommission hat eine Frauenquote für Europas börsennotierte Unternehmen vorgeschlagen. Den rund 5000 börsennotierten Firmen in der EU soll vorgeschrieben werden, bis 2020 Aufsichtsratsposten zu 40 Prozent mit Frauen zu besetzen. Bei gleicher Qualifikation sollen weibliche Bewerberinnen Vorrang haben. Wenn sich Firmen nicht daran halten, soll es Strafen geben. Professoren und Studierende aus Deutschlands ältester betriebswirtschaftlichen Hochschule beurteilen die Frauenquote aus Sicht der Corporate Governance, des Personalwesens, der Institution Wirtschaftshochschule sowie aus Perspektive der Nachwuchsführungskraft.

Konzept der Frauenquote unternehmensspezifisch anpassen

Das Konzept der Frauenquote sollte in jedem EU-Land individuell entschieden werden und „mit Respekt vor den nationalen Eigenheiten umgesetzt werden“, so Christian Strenger, Akademischer Direktor des Center for Corporate Governanance an der HHL sowie Mitglied der ‚Regierungskommission Corporate Governance‘ und zahlreicher Aufsichtsräte. Bei der Umsetzung des Konzepts hält Strenger den Vorschlag von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) dann am besten geeignet, wenn eine gesetzliche Regelung erforderlich würde. Er basiere auf dem Vorschlag, den die Corporate-Governance-Kommission der Bundesregierung bereits 2009 gemacht habe. „Anstelle einer rigiden Quote für alle Firmen sollte unternehmensspezifisch festgelegt werden, wo man in drei oder mehr Jahren sein will. Diese individuelle Zielvorgabe wäre dann verbindlich umzusetzen.“
Der Governance-Experte hält es nicht für zielführend, das Thema allein nur im Hinblick auf den Aufsichtsrat oder nur auf Frauen zu diskutieren. „Im Aufsichtsrat braucht man die erfahrensten Persönlichkeiten. Weibliche Führungskräfte wie jedoch auch andere so genannte Diversity-Kandidaten müssen bereits ab den unteren Managementebenen aufgebaut werden. Durch entsprechende Konstellationen inklusive Tagesstätten muss die Basis dafür geschaffen werden, dass Frauen und auch andere Diversity-Gruppen Führungspositionen erreichen können.“

Business-Schools müssen für Frauen attraktiv sein

Aus Perspektive der Ausbildungsstätten weiblicher Führungskräfte argumentiert Prof. Dr. Andreas Pinkwart, HHL-Rektor und ehemaliger Wissenschaftsminister von Nordrhein-Westfalen: „Ein höherer Anteil von Frauen in Führungspositionen fordert auch die Business-Schools heraus. Ihre Attraktivität für weibliche Studierende, Professorinnen und Managerinnen wird entscheidend für ihren künftigen Erfolg.“

Die Frauenquote als Teil des Diversity-Managements begreifen

Die indische Professorin Vasanthi Srinivasan, Inhaberin des ICCR-Lehrstuhls für Corporate Responsibility und Governance an der HHL, beschäftigt sich mit der Diskussion über eine Frauenquote aus der Perspektive des Personalmanagements: „In der jüngsten Vergangenheit gab es mehrere Berichte in der Boulevardpresse und in den wissenschaftlichen Fachblättern über die Notwendigkeit einer größeren Geschlechtervielfalt innerhalb der Geschäftsleitung und den Gremien von Unternehmen. Geprägt ist der Diskurs allerdings vorwiegend durch die Regulierung und die Bedeutung der Frauenquote und ihre Auswirkung auf die Unternehmen. Die Diskussion über eine solche Quote, für sich selbst genommen, erscheint mir kurzsichtig und nutzlos. Die wichtigere Frage ist vielmehr: Wie schaffen wir mehr inklusive Organisationen durch Unterstützung und Förderung aller Formen der vorhandenen Vielfalt? Dies setzt voraus, dass Diversität im Aufsichtsrat wichtig für eine Organisation ist, da sie gewährleistet, dass die verschiedenen Akteure eines Unternehmens auf einem guten Niveau für die Entscheidungsfindung vertreten sind und diese Vielfalt wiederum einen Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen darstellt.
Die Geschlechter-Diversität wird oft beschrieben mittels der drei vorherrschenden Paradigmen, d.h. Diskriminierungs- und Fairness-Paradigma, Zugangs- und Legitimitäts-Paradigma und das Lern- und Effektivitäts-Paradigma. Aufbauend auf diesen drei Paradigmen kann die wachsende Anzahl von Frauen in den Aufsichtsräten als eine langfristige Strategie auf nationaler wie auch auf organisationaler Ebene betrachtet werden.
Erforderlich ist ein System, das kompetente Frauen identifiziert und ihnen die Möglichkeit gibt, sinnvoll zu der Aufsichtsratsarbeit beizutragen. Es erfordert auch eine tiefe Überzeugung von Frauen, dass sie gerne diese Rolle in einer Weise ausfüllen möchten, die ihnen Zufriedenheit im Zusammenhang mit ihrem Beitrag zu einem größeren Zweck auf organisationaler wie auch auf nationaler Ebene gibt. Es erfordert zudem weitblickende männliche Mitglieder des Aufsichtsrates, die Prozesse der Vielfalt erkennen, befördern und sich aktiv für sie einsetzen.
Letztendlich sind Quoten erforderlich, die es den Unternehmen erlauben, die Vielfalt in ihre Planungsprozesse zu integrieren und dadurch ihre Leistung in puncto Gewinnung und Bindung von Frauen von Jahr zu Jahr zu steigern. Wenn integrative Systeme aufgebaut und eine Diversity-Strategie vorhanden ist, werden große Unternehmen automatisch die benötigten rechtlichen Quoten erfüllen können. In einem hart umkämpften Markt, auf dem es den vielzitierten ‘Kampf um die besten Köpfe‘ gibt, haben diejenigen inklusiven Unternehmen einen unverwechselbaren Wettbewerbsvorteil, die Frauen fördern und sie aktiv in Führungspositionen und Aufsichtsratsgremien mit einbeziehen.“

Meinungen von HHL-Studierenden auf YouTube

Studenten aus dem M.Sc.- sowie dem MBA-Programm der HHL diskutieren die Frauenquote kontrovers. Auszüge der Statements (in englischer Sprache) finden sich unter http://youtu.be/IKu2xvspwtU auf YouTube.

Appell für einen entspannten Umgang mit dem Thema Frauenquote

Zwei bedenkenswerte Punkte hebt Governance-Experte Christian Strenger abschließend hervor: „Es wird häufig davon ausgegangen, dass Frauen innerhalb eines Unternehmens auf jeden Fall ganz nach oben an die Spitze wollen. Diese Freiheit der Entscheidung wird ihnen abgenommen, wenn man pauschal sagt, die müssen. Darüber sollte man auch einmal nachdenken.“ Nüchtern fügt Strenger hinzu: „Wie so oft wird auch das Thema Frauenquote überstrapaziert diskutiert. Die jüngsten Erfahrungen mit der Besetzung bei DAX-Aufsichtsräten (Frauenanteil 40%) belegen, dass die ‚Machokultur‘ abnimmt und das so wichtige Thema an Normalität gewinnt.“

Stipendien mit Fokus auf Diversität und Frauen im Voll- und Teilzeit-MBA- wie auch Global-Executive-MBA-Programm der HHL

Neu hat die HHL die Stipendien „HHL Global Diversity Scholarship“ sowie „HHL Scholarship for Women in Business“ ausgeschrieben. Dotiert sind sie jeweils mit bis zu 7.500 Euro. Die Stipendien richten sich an hoch motivierte Bewerberinnen und Bewerbern für den 24-monatigen berufsbegleitenden MBA-Studiengang, der im März 2013 beginnt. Die Business-School schreibt darüber hinaus auch für ihr Vollzeit-MBA-Programm mit Start September 2013 Stipendien mit der Bezeichnung „HHL Scholarship for Women in Business“ aus. Bewerbungsschluss für dieses Stipendium ist der 1. April 2013.

Auch das Global-Executive-MBA-Programm der HHL und der EADA setzt mit einem Stipendium für Managerinnen ein überzeugendes Signal für eine höhere Beteiligung weiblicher Führungskräfte. Dotiert ist das Stipendium mit bis zu 10.250 Euro. Für die Förderung kommen Frauen aller akademischen Richtungen und Nationalitäten in Frage, die sich für das im Oktober 2013 beginnende 18-monatige berufsbegleitende und komplett englischsprachige Global-Executive-MBA-Programm bewerben. Bewerbungsschluss für dieses Stipendium ist der 31. Mai 2013. http://www.hhl.de/scholarships

Die HHL Leipzig Graduate School of Management

Die HHL ist eine universitäre Einrichtung und zählt zu den führenden internationalen Business Schools. Ziel der ältesten betriebswirtschaftlichen Hochschule im deutschsprachigen Raum ist die Ausbildung leistungsfähiger, verantwortungsbewusster und unternehmerisch denkender Führungspersönlichkeiten. Neben der internationalen Ausrichtung spielt die Verknüpfung von Theorie und Praxis eine herausragende Rolle. Die HHL zeichnet sich aus durch exzellente Lehre, klare Forschungsorientierung und praxisnahen Transfer sowie hervorragenden Service für ihre Studierenden. http://www.hhl.de