Verringerung des Gender Pay Gap ist auch für die Familie gut

Eigentlich ist der Equal Pay Day ein Anachronismus: Frauen sind ausgezeichnet qualifiziert, machen häufiger und bessere Abschlüsse – gute Voraussetzungen für einen mindestens ebenso hohen Verdienst wie der der Männer. Tatsächlich müssen Frauen aber über den Jahreswechsel hinaus – rein rechnerisch – bis zum 23. März arbeiten, um auf das durchschnittliche Jahresgehalt von Männern zu kommen. Von Dr. Elke Holst

Warum ist das noch so? Machen Frauen die falschen Abschlüsse?  Wer massenhaft Sprach- oder Kulturwissenschaften studiert oder einen Beruf als Arzthelferin oder Friseurin einschlägt – typische Frauenberufe – darf nicht erwarten, es auf gut bezahlte Posten in der Wirtschaft zu schaffen.  Doch seit Jahren studieren Frauen mindestens so häufig wie Männer auch Wirtschaft und Jura – Fächer, die für Führungspositionen und Spitzenjobs taugen. Auch bei den Ingenieurwissenschaften steigt der Frauenanteil – er liegt zwar noch unter jenem der Männer, aber es werden mehr.  Unter den Absolventen des Studiengangs Mathematik sind Frauen ohnehin schon lange mit rund 40 Prozent vertreten.  Aber auch sie erreichen nicht die guten Beschäftigungen und Verdienste wie Männer.

Als Grund wird hier manchmal aufgeführt, dass Frauen nicht so gut verhandeln können wie Männer, sie seien auch nicht so karriereorientiert. Wer so argumentiert, übersieht, dass dasselbe Verhalten bei Frauen und Männern anders bewertet wird. Verhandelt ein Mann hart und greift durch, trifft er das Erwartungsbild einer Führungskraft. Bei einer Frau wird dieses Verhalten dagegen schnell als „unweiblich“ gewertet und irritiert damit. Das mindert ihre Chancen.  Frauen werden weniger befördert als Männer. Auch das trägt zu der Verdienstlücke bei.

Interessanterweise werden Frauenjobs im Schnitt generell geringer bezahlt als Männerjobs, obwohl die Tätigkeiten nicht generell weniger wichtig sind als die vergleichbarer typischer Männerberufe. Aber typische Frauenberufe sind häufiger mit pflege-, erziehungs- oder hausarbeitstypischen Merkmalen verbunden – meist Tätigkeiten, die vormals von Frauen unentgeltlich geleistet wurden – und diese werden auf dem Arbeitsmarkt geringer bewertet als etwa Tätigkeiten in der Produktion.

Die traditionellen Vorstellungen von der Aufgabenteilung von Frauen und Männern im Haushalt mögen in den Köpfen noch vorhanden sein, mit der Realität hat das aber nicht mehr viel zu tun. Frauen sind heute meistens erwerbstätig und tragen – trotz ihrer im Schnitt geringeren Einkünfte – wesentlich zum Haushaltseinkommen bei.  Immer häufiger sind sie mittlerweile die Ernährerinnen des Haushalts, wie eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Eine Annäherung bei den Verdiensten von Frauen und Männern nutzt damit nicht nur den Frauen, sondern auch der gesamten Familie.

Quelle DIW Wochenbericht