Allein unter Männern. Wie Frauen im Job wirklich nach oben kommen

Erinnern Sie sich noch an Dornröschen, die arglose Königstochter, die sich an einer Spindel sticht und daraufhin in einen 100-jährigen Schlaf fällt? Ich habe mich schon als Kind gefragt, warum der König seiner Tochter nicht einfach sagt, sie möge sich vor Spindeln hüten. Dornröschen kennt die Regeln nicht und muss bitter dafür büßen. Es lebt in einer heilen Welt, bis es sich allein auf den Weg macht und prompt scheitert.

Vielen Frauen geht es in Sachen Karriere heute ebenso. „Frauenförderung? Brauche ich nicht.“ Das höre ich gerade von jungen Frauen häufig bei Coachings oder Karriereveranstaltungen. Kein Wunder, schließlich sind sie in der Schule und an der Universität genauso gut, oft sogar besser als ihre Mitschüler und Kommilitonen. Doch zehn Jahre später hat sich die Lage meistens geändert. Dann sitzt der mittelmäßige Mitschüler oder Kommilitone auf dem Chefsessel, während das Alpha-Mädchen von früher ihm die Vorstandsvorlagen schreibt und die Sitzungen vorbereitet. „Hätte ich das alles nur früher gewusst.“, sagen die Frauen jetzt. „Dann wäre meine Karriere anders verlaufen.“ Sie haben erkannt, dass sie ihren Erfolg teilweise verschlafen haben wie Dornröschen ihr Leben – einfach, weil sie von den beruflichen Spielregeln nichts wussten. Denn die werden von Männern gemacht, solange sie in der Chefetage die große Mehrheit stellen.

Männliche Spielregeln? Mitspielen statt jammern

Frau kann sich über diese männlichen Spielregeln amüsieren, sich darüber aufregen, sie sachlich kritisieren oder ihnen durch Flucht ins Heim oder in die Selbständigkeit ausweichen. Sie aber im Handstreich zu ändern, ist unmöglich. Frauen, die mit ihnen leben lernen, erreichen mitunter ganz beachtliche Positionen im mittleren Management. Dort sitzen sie dann im Sandwich fest, während im schlimmsten Fall Männer von unten drängeln und von oben drangsalieren. Eine Frau, die ganz nach oben will – eine die glaubt, für die Spitze gemacht zu sein, ist aus härterem Holz geschnitzt. Sie lebt nach der Devise: Frauen, lernt von den Männern und schlagt sie, wenn nötig, mit ihren eigenen Waffen! Selbst wenn das erst mal abschreckend oder beängstigend klingt – das kann sogar Spaß machen. Nämlich dann, wenn Frauen die Hürden, an denen Sie vorher gescheitert sind, plötzlich locker nehmen.

Und, welch Wunder: Männer nehmen das nicht so krumm wie befürchtet. Eher verweigern sie einer devoten Bittstellerin den Zutritt zu ihren Netzwerken als einer selbstbewussten Frau, die zeigt, dass sie die Tuba manchmal lauter bläst als der Mann mit dem breitesten Brustkasten vor Ort. Bedeutet das, weniger weiblich zu sein? Keinesfalls. Erstens finden Frauen meist automatisch einen Weg, scheinbar ur-männlichem Verhalten eine starke weibliche Note zu verleihen. Zweitens sind viele „Männerregeln“ recht verstanden gar keine. „Typisch Mann“ ist nicht oft die Regel selbst, sondern die Tatsache, dass sie bisher vorwiegend von Männern gelebt wird, während Frauen mit dem dazu nötigen Verhalten noch fremdeln.  

Mit Nachdruck zum Ziel

Trifft eine weibliche Führungskraft auf einen männlichen Mitarbeiter, spielt sich regelmäßig folgendes Kommunikationsdrama ab: Die Chefin argumentiert eloquent und sachlich fundiert, warum eine bestimmte Aufgabe wichtig ist und warum der Auserwählte sie am besten erledigen kann. Doch das erzielt keinesfalls die gewünschte Wirkung. Im Gegenteil: Der Mitarbeiter schaltet nach dem zweiten Satz ab und hört einfach nicht mehr zu. Ist die Chefin mit ihrer Erklärung fertig, versucht er schlicht und einfach die Aufgabe abzuwimmeln. Seine typische Frage: „Kann das nicht Herr Müller machen?“ Die Chefin ist entsetzt und zweifelt an sich selbst.

Dabei ist diese Vorgehensweise von den Männern noch nicht einmal böse gemeint, sie entspricht schlicht und einfach ihrem Kommunikationsverhalten. Und solange die Männer in den Wirtschaftsunternehmen in der Überzahl sind, bleibt Frauen nichts anderes übrig, als sich darauf einzustellen. Das bedeutet: Statt Bitten und Erklärungen müssen klare Ansagen her: „Ich möchte, dass Sie bis morgen diese Aufgabe erledigen“. Das reicht aus. Der Mann wird die Aufgabe übernehmen und Ihr Verhalten nicht einmal als unhöflich empfinden – sondern als souverän. Vorsichtige Formulierungen hingegen interpretieren Männer als Schwäche und Unentschlossenheit.

Das bedeutet: Starke Frauen bringen Ihre Vorschläge und Einwände selbstbewusst und bestimmt vor. Sie verzichten Sie auf Höflichkeitswendungen wie „könnten wir vielleicht…“ oder „wäre es nicht sinnvoll, dass…?“

Gekonnt abgrenzen und mutig das Revier verteidigen

Noch ein wichtiger Punkt, auf den man als Frau gar nicht so leicht kommt: Während sie oftmals reden, reden und reden und einfach nichts passiert, kommunizieren Männer stärker über Körpersprache und Handlungen. Das müssen Frauen ebenso beherrschen, um im Umgang mit ihren männlichen Kollegen wirkungsvoller agieren zu können. Das kann bedeuten, dass sie einem Mann, der in ihr Büro stürmen will, entgegengehen, um Ihr Revier zu verteidigen. Oder, dass sie auf eine freche Bemerkung während ihrer Präsentation kurz schweigen, dann die Nr. 1 (den ranghöchsten Mann) im Raum anschauen und ruhig und gelassen weiterreden. Selbst das Anfassen von Männern ist erlaubt und manchmal nützlich, was unter Männern eine wichtige und wirkungsvolle Dominanzgeste ist. Sollte sie ein Mann wiederholt nicht ausreden lassen, dann berühren sie ihn leicht am Unterarm und sagen: „Lassen Sie mich das bitte noch zu Ende bringen.“ Sie werden sich wundern, was das bewirkt! Seien Sie mutig und probieren Sie es aus!

In meinem Buch „Weck die Chefin in dir! 40 Strategien für mehr Selbstbehauptung im Job“ kommen meine Teilnehmerinnen ausführlich zu Wort. Vielleicht mögen Sie einmal hinein schnuppern? Oder aber in den 44 Rezensionen (einige darunter von begeisterten Männern) auf Amazon lesen? Ich freue mich riesig, wenn Sie mir über Ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem jeweils anderen Geschlecht berichten. Vielleicht finden Sie sich ja in den Beschreibungen wieder? Und bekommen Ideen, es mal anders zu versuchen?www.meuselbach-seminare.de